Bernadette, Schwester
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		Äbtissin des Klarissenklosters in Kevelaer 
		
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		* 1945 | Ewige Gelübde 1968 | Äbtissin 1977
 bis 
		2014
		
		
34 
		Jahre lang – von 1977 bis Oktober 2014 - stand Schwester M. Bernadette 
		Bargel dem Klarissen-Kloster in Kevelaer als Äbtissin vor. 
		
		Sie wurde als Annegret Bargel in Werne an der Lippe geboren. Mit 15 
		erlebte sie in Münster an der Scharnhorststraße Klarissenschwestern. 
		"Gitter und Vorhang - das war für mich eine total fremde Welt, und ich 
		dachte: ‚Die Leute, die dahinter sitzen, müssen verrückt sein‘.“
		
		Schon damals war es die Verrücktheit, die sie nicht losließ. Sie hatte 
		vor, einen weltlichen Beruf zu wählen. Stattdessen reifte in ihr der 
		Gedanke: "Das ist mein Weg. Ob du das verstehst oder nicht, du musst ihn 
		gehen." Sie trat in den Orden ein. Da war sie 17. Die Ewigen Gelübde 
		legte sie 1968 ab. Mit der Einkleidung als Nonne erhielt sie - das war 
		damals zwingend - einen neuen Namen. Seitdem heißt sie Schwester Maria 
		Bernadette. 
		
		Briefe für Empfänger außerhalb des Klosters unterzeichnet sie mit Sr. M. 
		Bernadette Bargel OSC.
		
		"Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich unter meinem neuen Namen 
		angesprochen gefühlt habe", sagte die Ordensfrau einmal in einem 
		KB-Gespräch.
		
		Schon früh entdeckte sie im zurückgezogenen Leben der Klarissen 
		„anziehend Abenteuerliches“.
		
		Frappierender kann eine Schwester mit „starrem“ Tagesablauf und strikten 
		Regeln ihren Alltag kaum beschreiben. Das Ordensleben kennt nicht die 
		‚abenteuerlichen‘ Höhen und Tiefen einer Ehe, einer Familie, die 
		Schrecken der Arbeitslosigkeit, privater oder betrieblicher Insolvenzen, 
		der Kriminalität und menschlicher Abgründe. Kennt sie nicht?
		
		Mit allem, was zwischen Himmel und Erde möglich ist, kommen Menschen zu 
		den Klarissen und bitten um eine Schwester, die zuhört und in dem, was 
		sie denkt und spricht, einem Wertekanon folgt, der keinem Trend 
		unterliegt, sondern zeitlos ist. 
		
		Die Schwestern lassen sich auf das ein, was sich vor ihnen ereignen, was 
		bei ihnen ankommen wird. Genau diese Bereitschaft zum Wagnis und zum 
		Geschehenlassen steckt im mittelhochdeutschen abentiure, abgeleitet vom 
		lateinischen advenire. Abenteuer und Advent haben dieselbe Wurzel.
		
		Bei Streit und Unfrieden irgendwo auf der Welt „fängt unsere 
		Stellvertretung an. Wir möchten uns im Gebet für andere Menschen vor 
		Gott stellen und ihre Anliegen weitergeben. Wir möchten für sie ganz da 
		sein und mit ihnen unsere Kraft und unsere Zeit teilen!“ Manchmal 
		schreiben die Schwestern Notleidenden Briefe der Ermutigung und des 
		Trostes voller Mitgefühl.
		
		Viele Menschen kommen mit ihren Sorgen, einige, wenn sie freudige 
		Ereignisse schildern wollen. Sind die Schwestern ‚nur‘ Zuhörerinnen und 
		Beterinnen? „Wir geben auch Rat, wenn wir das Gefühl haben, dass dadurch 
		Not gewendet werden kann.“ 
		
		Wenn jemand an der Pforte klingelt, sind die Klarissen immer da, denn 
		"das ganze Leben besteht aus lauter Gelegenheiten, Christus zu 
		begegnen."
		
		Viele Menschen meinen, dass die Schwestern im gleichförmigen Trott ein 
		betuliches Leben führen, das sie weder mit Anfechtungen noch mit den 
		Problemen der „Menschen draußen“ wirklich konfrontiert. Schwester M. 
		Bernadette lächelt. „Die Gleichförmigkeit des Alltags macht uns freier, 
		für das Wesentliche die Augen offen zu haben.“ Wer nicht mitten im 
		Getöse des sprudelnden Alltags stehe, schaue mit unverstellterem Blick 
		auf das, was Leben im Tiefsten wertvoll mache - die Nähe des Menschen zu 
		Gott. „Da ist wieder das Abenteuer“, sagt sie, „die Suche nach Gott und 
		das Staunen über das wunderbare Geschenk des Lebens, das ich wahrnehmen 
		und annehmen darf. Jeder Tag bringt einen neuen Aufbruch, manchmal ist 
		es ein großer mit außerordentlichen Überraschungen. Wer offen ist, 
		erlebt solche Abenteuer.“
		
		Manchmal kehrt sie traurig von Erledigungen aus der Stadt zurück. „Wie 
		viel Leere und Einsamkeit zeichnen sich auf manchen Gesichtern ab! Wie 
		viel Sinnlosigkeit und Lustlosigkeit sehe ich auch bei jungen Menschen. 
		Das ist meine große Sorge: Dass das Geschenk des Lebens nicht mehr 
		angenommen und gestaltet wird.“
		
		Die Schwestern „beobachten“ das Evangelium und geben Acht darauf, was 
		die Frohe Botschaft, die seitenfüllende Predigt der Nächstenliebe, ihnen 
		jeden Tag aufs Neue persönlich sagen will. Manchmal schenkt ein- und 
		dieselbe Stelle plötzlich ganz frische Einblicke. Das Evangelium brauche 
		immer wieder diesen Angang. Routine sei der Tod jeder Tat „und auch der 
		Nächstenliebe. Wenn ich etwas tue, weil ich es immer so getan habe, 
		stirbt die Liebe.“
		
		Dem weltlichen Leben sind die Klarissen durchaus geöffnet. Das 
		Holzgitter, das früher selbst bei Zwiegesprächen Schwester und Gast 
		trennte, hängt im Besuchszimmer wie ein Kunstwerk an der Wand und 
		erinnert daran, dass die Klarissen ihren geschützten Raum gleichwohl 
		beanspruchen. Als kontemplative Schwestern möchten sie sich „in Gott 
		versenken und ganz auf ihn hören. Dann wollen wir alles in der Welt 
		außen vor lassen und wahrnehmen, was ER sagt. Dabei möchten wir nicht 
		ausruhen in Gott, sondern aufbrechen in Gott.“
		
		Manchmal fordert auch der praktische Alltag Aufmerksamkeit. Schwester M. 
		Bernadette hat noch die alten Zeiten erlebt - barfuß und ohne Heizung. 
		"Ein Orden muss mit der Zeit gehen und mit der Region. Die heilige Klara 
		kann nicht gewünscht haben, dass wir bei minus 15 Grad barfuß laufen. 
		Leben in Buße bedeutet ja nicht, seine Gesundheit zu ruinieren."
		
		2001 überraschte sie als langjährige Präsidentin der Föderation der 
		deutschsprachigen Klarissen mit einer Premiere: Zum ersten Mal äußerten 
		sich die Klarissenschwestern öffentlich zum Zeitgeschehen. Schwester M. 
		Bernardette Bargel OSC übersandte eine Stellungnahme der 
		Interfranziskanischen Arbeitsgemeinschaft (INFAG) zum befürchteten 
		militärischen Vergeltungsschlag als Antwort auf die Terroranschläge 
		gegen die USA.
		
		„Wir sind der Tradition der Friedensspiritualität des Franz von Assisi 
		verpflichtet. Diese lehrt uns, dass zwischen gerechter und nötiger 
		Bestrafung auf der einen sowie Vergeltung und Rache auf der anderen 
		Seite ein ganz schmaler Grat besteht. Die Gefahr einer Eskalation der 
		Gewalt ist also sehr groß. Die Folgen wären eine große Zahl von 
		unschuldigen Opfern in der Zivilbevölkerung, wiederum wachsender Hass 
		und neue Rache- und Terroranschläge. Diesen Teufelskreis der Gewalt 
		können wir nur durchbrechen, wenn das Problem der Gewalt in seiner 
		ganzen Breite und Tiefe diskutiert und mit friedlichen Mitteln 
		angegangen wird. Dazu wollen wir mit unserer Stellungnahme einen Beitrag 
		leisten und zu den richtigen politischen Entscheidungen ermutigen.“
		
		Seit 2012 zählt Schwester Bernadette zum Kreis der Autoren für die 
		Rubrik "Bedenkliches" im Kävels Bläche.
		
		2012 konnten die Klarissenschwestern mit ihrer Äbtissin das 120-jährige 
		Ortsjubiläum feiern. "Wir danken Gott für 120 Jahre im 
		Marienwallfahrtsort Kevelaer."
		
		Im Herbst 2014 kam eine Wiederwahl von Sr. M. Bernadette zur Äbtissin 
		nach geltendem Kirchenrecht nicht noch einmal in Frage. 
		
		„Gebraucht“ hat sie die offizielle Anrede als „hochwürdigste Mutter 
		Äbtissin“ für ihre nächstenliebende Arbeit ohnehin nie.