Leisner, 
		Karl
		►
		Der Selige und seine Beziehung zur Marienstadt Kevelaer
 * 28.2.1915 Rees, gew. 17.12.1944 Dachau
 † 12.8.1945 Planegg, Seligsprechung 23.6.1996
		
		
Am 
		dritten Advent 1944 empfing Karl Leisner in einer Baracke des 
		KZ Dachau heimlich seine Priesterweihe. Wenige Tage später, am Zweiten 
		Weihnachtstag 1944, zelebrierte er seine einzige Heilige Messe, die 
		zugleich seine Primizfeier war. Er starb kurz nach der Befreiung. 
		
		Im niederrheinischen Marienwallfahrtsort Kevelaer hatte Karl Leisner vor 
		dem Gnadenbild Zeit seines kurzen Lebens immer wieder Trost und 
		Fürsprache erbeten und irgendwann begonnen, um Wegweisung für ein 
		besonderes Anliegen zu bitten. 
		
		Leisner, der in Rees geboren war und in Kleve aufwuchs, wollte wissen, 
		ob er zum Priester berufen war. Er empfing wichtige Impulse, die ihn auf 
		seinem Weg bestärkten. So hielt er es in seinen Tagebüchern fest. Schon 
		als Kind hatte Karl begonnen, sein Leben aufzuschreiben. Er war 13, als 
		er am 7. September 1928 notierte: "Mit Mama, Willi, Ferdinand und Maria 
		machte ich heute eine Wallfahrt nach Kevelaer. Wir fuhren um 6.45 Uhr 
		mit dem Zug dorthin. Wir beichteten in der Beichtkapelle. Um 9.00 Uhr 
		hörten wir eine Messe, in der wir kommunizierten. Die Kerzen opferten 
		wir in der Gnadenkapelle und besuchten dort die Muttergottes."
		
		Zwischen diesem Eintrag und einem sehr viel späteren vom 28. April 1939 
		liegen Welten…
		
		Karl, der ab 1934 die katholische Jugend auf Kreis-, Bezirks- und 
		Bistumsebene führte, war inzwischen Theologiestudent und 
		Priesterkandidat in Münster. Die "braunen" Machenschaften erschütterten 
		ihn. "Doch Kevelaer half ihm, sein Schicksal zu verdauen", sagte 2005 
		bei einem Referat der Präsident des Internationalen Karl Leisner-Kreises 
		Hans-Karl Seeger. Eine innige Marienfrömmigkeit sei Leisner in die Wiege 
		gelegt worden. 
		
		

Leisners 
		Schwester Elisabeth Haas erzählte 2007 bei einem Pastoralkongress in 
		Kevelaer: „Er ist schon ganz früh von der Gestapo beschattet worden.“ 
		1937 waren Leisners Tagebücher nach einem Reichsarbeitsdienst von der 
		Gestapo beschlagnahmt worden. Leisner sei über dieses Unrecht 
		erschüttert gewesen, zur Muttergottes nach Kevelaer gefahren, habe dort 
		geweint und um Trost und Beistand gebetet. Keiner in der Familie habe 
		daran gezweifelt, dass richtig war, was der Bruder tat. „Wir waren alle 
		im Glauben gefestigt. Christus war die Mitte, nicht der 
		Nationalsozialismus.“
		
		
Karl Leisner zelebrierte nur eine einzige Heilige Messe. 
		
		So blieb Karl Leisner auf den Einzigen konzentriert, den er als seinen 
		Herrn anerkannte – und schrieb weiter Tagebuch. Am besagten Apriltag 
		1939 hielt er fest: "Ich bin erschlagen. Ich finde bei Ihm, was ich 
		irgendwie alles schon einmal gespürt habe aus dem Geschehen der Zeit. 
		Christus, das Geheimnis der Kraft Europas. Sicher das größte, tiefste 
		und unergründlichste. Herr, wohin willst du mich? Dahin gehe ich - auch 
		in der Nacht, in Not und Leid."
		
		Er ahnte nicht, dass die Nacht ihn sehr schnell in ihre Gewalt bekommen 
		würde. Denn bald darauf sprach er einen verhängnisvollen Satz. 
		
		Wegen einer Lungentuberkulose war er in ein Sanatorium in St. Blasien 
		eingeliefert worden. Er hörte mit anderen die Radiomeldung zum 
		gescheiterten Attentat auf Hitler am 8. November 1939 in München. 
		Leisner sagte: „Schade, dass der Führer nicht dabei war.“ Karl Leisner 
		wurde denunziert, verhaftet und 1940 ins KZ Dachau eingeliefert. 
		Hier blieb er bei dem, was ihm heilig und wichtig war. Es gelang ihm, 
		Briefe aus dem KZ an seinen Vater zu schmuggeln. Der arbeitete als 
		Rentmeister an der Gerichtskasse in Kleve und bat einen jungen Mann 
		seines Vertrauens, der aus Kevelaer stammte und gerade ausgebildet 
		wurde, ihm bei einer verbotenen und lebensgefährlichen Arbeit zu helfen. 
		Es war der spätere Rechtspfleger, Bürgermeister und Ehrenbürgermeister 
		der Marienstadt Karl Dingermann. Er vervielfältigte Briefe von Karl 
		Leisner, damit der Vater sie an jene Personen weiterleiten konnte, die 
		der Sohn in den Schreiben direkt angesprochen und gegrüßt hatte.
		
		Die Geschichte von Leisners Priesterweihe im KZ ist oft erzählt worden. 
		So bildreich und eindrucksvoll, wie sie sich am 26. Oktober 1997, am 
		Geburtstag der Mutter Karl Leisners, im Brunnenhof der Kevelaerer 
		Basilika darstellte, ist sie wohl selten empfunden worden. 
		
		Der Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim enthüllte an der Sakristei 
		gemeinsam mit Pastor Richard Schulte Staade ein „Ereignisbild“, ein 
		bronzenes „Portal der Versöhnung“, das bis heute Leisners Geschichte 
		erzählt. Der Betrachter steht dem knieenden Karl Leisner gegenüber, 
		sieht hinter ihm ein junges Mädchen, Gärtnerin im KZ, das bei Gefahr für 
		das eigene Leben in einem Azaleenstrauß Messgegenstände in die Zelle 
		schmuggelt, damit Leisner sich heimlich auf seine Priesterweihe 
		vorbereiten kann; rechts steht der Bischof von Clermont-Ferrand, Gabriel 
		Piguet, französischer Mitgefangener im deutschen KZ Dachau, der über 
		alle Feindschaft der Völker hinweg an dem knieenden Leisner die Weihe 
		vollzieht. Eine Geste unglaublichen Friedens lange vor Kriegsende. 
		
		Das alles erfasst der Betrachter in Kevelaer unmittelbar. Und doch ist 
		im Hintergrund viel mehr zu entdecken. Gerresheim hat ein Bild hinter 
		das Bild gelegt, das die Geschichte vertieft und erweitert und, so 
		Gerresheim, „aus dem historischen Ereignis ein Zeichen macht“. Die 
		Einzeldarstellungen sind geschichtlich präzise: die drei Figuren, das 
		Tagebuch von Leisner, die Kathedrale von Clermont-Ferrand, der Hof im KZ 
		Dachau, der beißende Spruch „Arbeit macht frei“, der Stacheldraht, das 
		Kevelaerer Gnadenbild (in was für einem mitreißenden Zusammenhang steht 
		es da!). 
		
		Gerresheim, der monatelang Daten gesammelt, Dachau-Dokumente ausgewertet 
		und mit der Familie Leisner gesprochen hatte, stellt allerdings nicht 
		wie ein historischer Artikel Fakten vor („historische Artikel haben 
		keine moralische Kraft“); er stellt neue Ansichten her. 
		
		Bei Leisner und Piguet hat der Glaube Berge und Vorurteile der Völker 
		versetzt, hat Grenzen überschritten, „Europa vorweggenommen“, ein 
		„Europa des Glaubens“ und ein Europa der Versöhnung möglich gemacht. 
		Leisner selbst hatte im KZ in seinem Tagebuch notiert: „Nur eines! Du 
		armes Europa, zurück zu Deinem Herrn Jesus Christus! Dort ist Deine 
		Quelle.“ 
		
		Bei der Enthüllung des Portals wurde in allem deutlich, dass der Ort der 
		Trösterin der Betrübten, der Leisner so viel bedeutet hatte, Menschen in 
		der tiefsten Not Hoffnung gibt, selbst in einem KZ. Da, wo kein Ausweg 
		zu sein scheint, gibt es Heilung. Wo hätte ein Kunstwerk mit dieser 
		Trost-Botschaft einen besseren Platz gefunden als in der Nähe des 
		Gnadenbilds von Kevelaer.
		
		

Neben 
		Bert Gerresheim stand damals bei der Enthüllung eine ältere Ordensfrau, 
		eine, die Azaleen liebte. Josefa Imma Mack fand sich unversehens vor dem 
		Portal wieder, auf dem sie selbst abgebildet ist: als junges Mädchen, 
		Deckname Mädi, mit Azaleen in den Händen, darin verborgen ein Kelch. Als 
		das Verhüllungstuch fiel, stand sie überwältigt da, wollte etwas sagen, 
		reichte Gerresheim stumm die Hand, schaute ihn an und begann zu weinen - 
		der Bildhauer nahm sie in die Arme. 
		
		
Josefa Imma Mack am Tag der Enthüllung vor ihrem Porträt auf dem 
		Portal der Versöhnung.
		
		Wohl jeder im Brunnenhof spürte die Botschaft des Portals, dass es keine 
		Zeiten gibt, in denen Feinde nicht Feinden zu verzeihen hätten. Pastor 
		Richard Schulte Staade erinnerte an die Geschehnisse im KZ Dachau, bei 
		denen „der Glaube Berge an Vorurteilen aus dem Weg geräumt hat“. Der 
		Glaube könne sogar helfen, über den eigenen Schatten zu springen, heute 
		wie damals, als der französische Bischof Gabriel Piguet verhaftet, ins 
		KZ deportiert und dort von Deutschen gebeten worden sei, einen Deutschen 
		zum Priester zu weihen. Das wunderbare Geschehen von damals, übertragen 
		durch einen Menschen, der die Umstände miterlebt hatte, und übertragen 
		durch das Kunstwerk selbst, war im Brunnenhof intensiv spürbar. 
		
		Schulte Staade nahm es den Atem, er konnte nicht weitersprechen, seine 
		Stimme kippte weg. Im menschengefüllten Brunnenhof war kein einziger 
		Laut zu hören, bis der Pastor sich gefasst hatte und fortfahren konnte: 
		„Der Feind kniet vor dem Feind, und der Feind segnet den Feind.“ 
		
		Gerresheims Portal im Kevelaerer Brunnenhof zur einzigen Priesterweihe, 
		die es je in einem KZ gegeben hat, zeigt eindrücklicher als wohl jede 
		schriftliche Fassung den „Schritt Karl Leisners in die Nachfolge 
		Christi“. Der Künstler zitierte zur Enthüllung den letzten 
		Tagebucheintrag des jungen Priesters vor seinem Tod: „Segne, Höchster, 
		auch meine Feinde!“
		
		
							►
 
											Karl Leisners Schwester 
		Elisabeth starb in diesem Sommer. Sie war verheiratet mit Willi Haas, 
		einem Onkel von Rainer Haas, dem langjährigen Verwaltungsdirektor des 
		Kevelaerer Marienhospitals und heutigen Geschäftsführers der 
		Katholischen Karl-Leisner-Klinikum eGmbH.
		
							►
 
											Kevelaer erinnert sich in 
		vielen Zeugnissen an Karl Leisner. So zeigt in der St.-Antonius-Kirche 
		die 5. Station des Kreuzwegs, geschaffen ebenfalls von Bert Gerresheim, 
		Karl Leisner. Er hilft Jesus, das Kreuz zu tragen.
		
							►
 
											Leisners Kelch aus der 
		Kapelle des Konzentrationslagers Dachau, in der er seine erste und 
		einzige Hl. Messe zelebriert hat, ist nach dem Tod Leisners dem 
		Gnadenbild von Kevelaer als Weihegabe gewidmet worden.
		
							►
 
											Wenige Monate nach seiner 
		Befreiung starb Karl Leisner am 12. August 1945. Zunächst in Kleve 
		beerdigt, wurden seine Überreste 1966 exhumiert und in der Krypta des 
		Doms zu Xanten beigesetzt. Mit dabei war zusammen mit mehreren Vettern 
		ein 15-Jähriger: Rainer Haas begleitete den Sarg nach Xanten. - 1994 
		wurden die sterblichen Überreste Karl Leisners in einem neuen Grab 
		innerhalb der Krypta beigesetzt.
		
							►
 
											Karl Leisner wurde am 23. 
		Juni 1996 von Papst Johannes Paul II. in Berlin seliggesprochen. 2007 
		teilte das Bistum Münster mit, dass das Verfahren zur Heiligsprechung 
		eröffnet worden sei.
		
		
		
CHRONIK:
		
		1915 
		Geboren in Rees (28.2.1915). 
		
		1921 
		Umzug nach Kleve (Vater als Rentmeister versetzt an Gerichtskasse 
		Kleve). 
		
		1934 
		Bezirksjungscharführer im Bezirk Kleve. - Diözesanjungscharführer des 
		Bistums. - Theologiestudium bis 1939. 
		
		1936 
		Leisner ringt um die Entscheidung "Ehe oder Zölibat". Er hat sich 
		verliebt. Freundin Elisabeth unterstützt ihn in seinem Wunsch, Priester 
		zu werden. 
		
		1937 
		Leisners Tagebücher werden nach seinem Reichsarbeitsdienst von der 
		Gestapo beschlagnahmt. 
		
		1939 Diakonatweihe durch Bischof Clemens August von Galen. - Verhaftung 
		in St. Blasien, inhaftiert in Gefängnissen Freiburg und Mannheim und KZ 
		Sachsenhausen: Leisner wird von einem Mitpatienten des Sanatoriums St. 
		Blasien denunziert. "Schade", hat Leisner nach der Radiomeldung vom 
		Attentat auf Hitler gesagt, "daß der Führer nicht dabei war".
		
		1940 
		Einlieferung ins KZ Dachau.
		
		1944
		Priesterweihe (17.12.1944).
		
		1945 
		Befreiung des KZ Dachau (29.4.1945). - Karl Leisner stirbt in Planegg 
		(12.8.1945). - Beerdigung in Kleve (20.8.1945). 
		
		1966 
		Exhumierung und Beisetzung in der Krypta des Domes in Xanten. 
		
		1973 
		Pfarrer Josef Perau bittet Bischof Heinrich Tenhumberg, das 
		Seligsprechungsverfahren einzuleiten. 
		
		1977 
		Einleitung des Seligsprechungsprozesses. 
		
		1980 
		Eröffnung des Prozesses. 
		
		1996 Papst Johannes Paul II. verkündet die Seligsprechung.