Martin-Luther-Kapelle
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		Erste ev. Kirche in Kevelaer wurde zur Martin-Luther-Kapelle in 
		Winnekendonk
		
		
		Die erste evangelische Kirche für Kevelaer wurde als 
		Bausatz geliefert, 1950/51 an der Brunnenstraße in Kevelaer aufgebaut 
		und nach dem Neubau der Jesus-Christus-Kirche nach Winnekendonk versetzt 
		- als Martin-Luther-Kapelle.
		
		Die Lutherische Kirche von Australien schenkte der 
		evangelischen Kirchengemeinde Kevelaer eine Holzkirche im Werte von 70 
		000 DM, die in fertigen Einzelteilen geliefert wurde. Von der Stadt 
		Kevelaer wurde für die Aufstellung dieser Kirche ein Platz zwischen der 
		Weezer und der Alten Weezer Straße zur Verfügung gestellt. Nach 
		Errichtung des Fundaments wurde für die Kirche an der Ecke 
		Brunnen-/Bachstraße am Tag 
Christi Himmelfahrt [3.5.1951] der 
		Grundstein gelegt. 
		
		Schon 1960 zeichnete sich ab, dass die Diasporakapelle an der 
		Brunnenstraße in Kevelaer für die 1.500 Mitglieder der Gemeinde zu klein war und 
		durch ein größeres Gotteshaus ersetzt werden musste - durch die 
		später zu bauende Jesus-Christus-Kirche.
		
		
Unterdessen wurde besonders für den Ort Winnekendonk ein neuer Bedarf ausgemacht: 
		Hier fanden Anfang der 1950er-Jahre alle vierzehn Tage ein Gottesdienst und sonntags ein Kindergottesdienst statt. Die 
		Anzahl der 
		Gemeindemitglieder aus Winnekendonk war mittlerweile fast doppelt so 
		groß wie die in der bevölkerungsmäßig viel größeren Gemeinde Kevelaer. 
		Deshalb wurde überlegt, ob in Winnekendonk nicht eine eigene Kapelle errichtet 
		werden sollte. 
		
		Die evangelische Gemeinde Kevelaer erwarb einen Bauplatz für 4.500 DM 
		von der Zivilgemeinde Winnekendonk, auf dem die Kapelle - das in 
		Kevelaer abgebrochene Diaspora-Gotteshaus - erstellt werden konnte. Als 
		Martin-Luther-Kapelle wurde die weitgehend aus Holz gefertigte 
		Diaspora-Kirche dem Baustil der umstehenden Häuser angepasst. 
		
		Am 15. Oktober 1961 wurde der letzte Gottesdienst in der Diasporakapelle 
		in Kevelaer gehalten. Danach wurde die Kapelle ab- und 1962 in 
		Winnekendonk wieder aufgebaut. Den neuen Namen 
Martin-Luther-Kapelle 
		erhielt das Gotteshaus allerdings erst 1980.
		
		
Die Winnekendonker Protestanten nahmen das neue 
		Gemeindezentrum am Blumenweg gerne an. Lange hatten sie auf ein eigenes 
		Haus gewartet und ihre Gottesdienste und Treffen im Jugendheim 
		abgehalten. Am Sonntag, 27. Mai 1962, wurde die Kapelle geweiht. 
		
		Superintendent Göbelsman vollzog die traditionellen drei Hammerschläge 
		an der Tür, bevor die Gemeinde ihr neues Gotteshaus in Besitz nahm. 
		Landeskirchenrat Nieland führte in seiner Predigt aus: Die Kapelle sei 
		eine "geweihte Stätte, in der sich die Gemeinde sammelt, um zu beten und 
		Gottes Fürbitte zu erflehen. Das Haus dient der Verkündigung des Wortes 
		Gottes, jenes Wortes, das niemals versagt und das die Menschen 
		erschüttert und erhebt und das niemals vergehen wird."
		
		Nach der Jahrhundertwende drückten die Folgen des Kostendrucks stärker 
		denn je. Anfang 2006 wurde bekannt, dass sich die evangelische 
		Kirchengemeinde Kevelaer von einigen Gebäuden trennen würde. „Wir stehen 
		in nächster Zeit vor größeren Investitionen“, hatte Pfarrerin
		
Karin Dembek (
vormals 
		Reinhardt) erklärt. Und erstmals kam dabei auch die 
		Martin-Luther-Kapelle ins Gespräch. Das "wenig genutzte Gebäude" koste 
		mehr als 10.000 Euro im Jahr. 
		
		Der letzte Gottesdienst in der Martin-Luther-Kapelle mit Pfarrerin
		
		Christa Wolters. Fotos (2): Claudia Daniels
		
		An ihm würden allerdings viele Erinnerung hängen, denn die Kapelle in 
		Winnekendonk sei schließlich das erste Gotteshaus der Protestanten in 
		Kevelaer gewesen. Dafür war
		einer der Gründerväter der Gemeinde, Hans-Heinrich Etzold, 
		beispielgebend. Der damals 86-jährige Landwirt sagte: "Wenn die Kapelle 
		geschlossen würde, wäre das eine Tragödie für mich." 
		
		Pfarrerin Karin Dembek sah sich im Frühsommer 2006 genötigt, in einer 
		öffentlichen Erklärung die Aufgabe der Martin-Luther-Kapelle zu 
		begründen:
		
		► Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Kevelaer erwartet 
		für die nächsten Jahre deutlich geringere Einnahmen aus der 
		Kirchensteuer. Da die Kirchengemeinde über die Pflichtrücklagen hinaus 
		keine Vermögenswerte besitzt, hat sich das Presbyterium Anfang 
		vergangenen Jahres mit der Zukunft der Gemeindearbeit befasst. Um einen 
		Überblick über den Zustand der kirchlichen Gebäude zu bekommen, wurde 
		das landeskirchliche Bauamt zur Beratung hinzugezogen. Zum 
		Gebäudebestand der Kirchengemeinde gehören die Jesus-Christus-Kirche 
		(Bj. 1963), das Pfarrhaus mit Gemeindebüro (Bj. 1953), das Jugendheim 
		(Bj. 1954) – alle an der Brunnenstraße gelegen – und die 
		Martin-Luther-Kapelle (Bj. 1951), seit 1962 in Winnekendonk. Bis auf 
		Pfarrhaus und Gemeindebüro sind alle Ge-bäude stark renovierungs- bzw. 
		sanierungsbedürftig. Besonders das Jugendheim muss grundlegend saniert 
		werden. 
		
		
		
In 
		diesem Jahr muss die Kirchengemeinde allein für Sanierungsarbeiten an 
		der Jesus-Christus-Kirche mindestens 45.000 Euro aufbringen. Das 
		Presbyterium ist sich bewusst geworden, dass nicht alle kirchlichen 
		Gebäude zu erhalten sein werden. Ein Verkauf des Gebäudekomplexes 
		Pfarrhaus / Gemeindebüro / Jugendheim kommt nicht in Frage, da das 
		Presbyterium grundsätzlich beschlossen hat, das Gemeindezentrum an der 
		Brunnenstraße im Bestand zu erhalten. Das Jugendheim soll zum 
		Begegnungs-zentrum für alle Gemeindemitglieder werden, da hier ein 
		ebenerdiger Gemeinderaum entstehen kann. 
		
		
Pfarrerin Wolters schloss die Kirchentür zum letzten Mal ab.
		
		Aber auch 
		Eva-Maria Theune, die Witwe des ersten evangelischen Pfarrers in 
		Kevelaer, 
Hans-Joachim Theune, 
		meldete sich im April 2007 öffentlich zur Wort - mit einem Beitrag im
		
Kevelaerer Blatt:
		
		►  Die Geschichte unserer Martin-Luther-Kapelle in Winnekendonk 
		beginnt im Jahr 1951. Kevelaer, Deutschlands größter Wallfahrtsort, 
		kannte bis um Kriegsende im Mai 1945 keine evangelischen Mitbewohner – 
		vielleicht ein paar Zöllnerfamilien in Twisteden, die den Wohnort häufig 
		zu wechseln hatten. Inzwischen waren auch in Kevelaer Flüchtlinge und 
		Vertriebene („Aussiedler“ genannt im Ostblock) eingewiesen worden – 
		nicht gerade zur Freude der Bewohner, deren Küchen sie nun benutzten, in 
		deren Zimmern sie schliefen. Ihr Hab und Gut bestand aus dem Inhalt 
		eines Rucksacks oder eines Koffers. 
		
		Die Evangelischen unter ihnen gehörten zur Kirchengemeinde Weeze, die 
		der Pfarrer Peltner das Pfarramt inne hatte. Dort gab es natürlich auch 
		eine evangelische Kirche, so wie in fast allen Orten des Kirchenkreises 
		Kleve, nicht nur in den Kleinstädten, sondern auch in solchen kleinen 
		Orten wie Schenkenschanz, Keeken, Mörmter, Neulouisendorf und anderen. 
		In Kevelaer gab es keine. Pfarrer Peltner hielt Gottesdienste in 
		Schulräumen der kleinen Orte, in der Hubertusschule, im Fahnensaal der 
		katholischen Mariengemeinde. An besonderen Festen, etwa der 
		Konfirmation, sogar in der Beichtkapelle am Priesterhaus. Der Pfarrer 
		erreichte seine Gemeindeglieder bei Wind und Wetter mit dem Motorrad und 
		hielt oft vier Gottesdienste am Sonntag. Junge Paare traute er in der 
		Weezer Kirche. 
		
		Dann ergab sich eine segensreichte Gelegenheit. Der Lutherische 
		Weltbund, Sitz in Genf, schenkte der Gemeinde Weeze 1951 eine Kirche, 
		eine so genannte Diaspora-kapelle, wie sie auch in katholischen Gemeinde 
		errichtet werden konnte, die in rein evangelischen Gebieten entstanden 
		waren. Wer konnte sich in diesen Jahren auch nach der Konfession 
		richten, in denen etwa 16 Millionen Menschen aus den ehemals deutschen 
		Ostgebieten aufgenommen werden mussten? 
		
		Man brachte sie in Landgemeinden unter, die Städte hatte der Bombenkrieg 
		zerstört. Pfarrer Peltner erhielt für die Gemeinde Weeze eine solche 
		Kapelle. Ihr Architekt war Otto Bartning, damals ein bekannter 
		Baumeister evangelischer Kirchen. Die Stadt Kevelaer stellte ein 
		Grundstück weit draußen in der Brunnenstraße zur Verfügung. Die Kapelle 
		bestand aus hölzernen Fertigteilen, und die Gemeindeglieder bauten sie 
		selbst auf. 
		
		Das kleine Gotteshaus ist im Gegensatz zu den meisten Kirchen nicht 
		längs gerichtet, ihre Breite ist wesentlich länger als ihre Tiefe. In 
		der Mitte der Breitseite steht der Altar in einer Nische, die mit zwei 
		Türen zu verschließen ist – so erhält man einen Gemeinderaum für 
		Versammlungen, Feste und Tagungen. Die schöne ruhige Maserung des Holzes 
		hilft der Sammlung der Gedanken während des Gottesdienstes. Die Rückwand 
		des Kirchenraums kann in halber Höhe geöffnet werden, wenn sich an 
		Feiertagen eine große Zahl von Gottesdienstbesuchern versammelt. Ist sie 
		geschlossen, so hat man einen kleineren Raum für Sitzungen oder kleine 
		Gemeindegruppen. Hier stehen auch zusammenklappbare Tische für 
		Gemeindefeste. Die Kapelle hat eine Sakristei und eine kleine Küche. Die 
		Gemeinde sitzt auf langen Bänken. Am Anfang stand in der Kapelle nur ein 
		Harmonium, im Laufe der Zeit erhielt sie ein Orgelpositiv und eine 
		eigene Taufschale. 
		
		1961 wurde die Kapelle in der Brunnenstraße zerlegt und in Winnekendonk 
		zum zweiten Mal errichtet. In Kevelaer entstand die 
		Jesus-Christus-Kirche für die weiter angewachsene Gemeinde. So konnte 
		die Kapelle der Gemeinde erhalten bleiben. Viele ältere Gemeindeglieder 
		besuchen noch immer ihre alte Kapelle, die ihnen dazu verholfen hatte, 
		in Kevelaer und den Dörfern Winnekendonk, Wetten und Twisteden heimisch 
		zu werden. In den 1980er-Jahren erhielt sie endlich einen Namen: 
		Martin-Luther-Kapelle. Der Name bezieht sich auf das uniert-lutherischen 
		Bekenntnis, dem die Gemeindeglieder angehörten, die ja fast alle aus den 
		mittel- und ostdeutschen Gebieten stammten; während sich die 
		alt-eingesessenen Evangelischen am unteren Niederrhein meistens zum 
		uniert-reformierten Bekenntnis zählen. 
		
		Nun soll sie abgebaut werden und damit unwiderruflich ausgelöscht werden 
		– wie es heißt aus Geldmangel, denn im Gemeindezentrum Kevelaer an der 
		Brunnenstraße ist inzwischen sowohl an der Jesus-Christus-Kirche, als 
		auch am Jugendheim und am Pfarrhaus Vieles instandzusetzen, wie es nach 
		Jahrzehnten an Gebäuden notwendig wird. 
		
		Die Trauer und das Unverständnis darüber sind groß. Die Gemeindeglieder 
		wollten für die Erhaltung der Kapelle erhebliche finanzielle Beträge 
		aufbringen, die den Haushalt der Kirchengemeinde für Winnekendonk 
		entlastet hätten. Aber sie sind nicht in der Lage, den gesamten Haushalt 
		zu entlasten. Die Trauer ist groß und nicht leicht zu beschwichtigen. 
		Muss der Abriss wirklich sein? Gibt es keine anderen Lösungen?
		
		Sowohl katholische als auch evangelische Kirchen werden aufgegeben, aber 
		vielfach werden diese Gotteshäuser für kulturelle Zwecke verwendet, und 
		damit bleiben sie erhalten. Ist wirklich intensiv nach anderen Lösungen 
		gesucht worden, oder – so hat es den Anschein – gibt man einer 
		kurzsichtigen und endgültigen Lösung (Abriss und anschließender Verkauf 
		des Grundstückes) den Vorzug?
		
		Leider besteht kein Denkmalschutz, da die Kirche eine Klinkerummantelung 
		erhielt, um sie in ihrem äußeren Erscheinungsbild an das Wohngebiet in 
		Winnekendonk anzupassen. Jedoch ist der historische Wert als Mahnmal für 
		die Eingliederung der Flüchtlinge nach dem Krieg und als Gemeindekirche 
		für die evangelischen Gläubigen der Kirchengemeinde von großer 
		Bedeutung. 
		
		Für die einfachen Mitglieder und besonders für die Verantwortlichen der 
		Kevelaerer Kirchengemeinde stellt sich die Frage nach dauerhaft und 
		nachhaltig wirkenden Entscheidungen. Was ist gewichtiger: der 
		langfristige Erhalt einer Kirche und damit einer Heimat für die 
		Gläubigen und ein Erinnerungsort für die jüngste Geschichte am 
		Niederrhein und eine vielleicht doch anders zu bewältigende finanzielle 
		Belastung für die Sanierung anderer Gebäude des Gemeindezentrums - oder 
		die schnelle Beschaffung von Geld durch Abriss der Kirche und Verkauf 
		des Grundstückes?
		
		
Soweit der Beitrag von Eva-Maria Theune.
		
		
		
Indes 
		- die Würfel waren gefallen. Am Sonntag, 20. Mai 2007, wurde in 
		der Martin-Luther-Kapelle zum letzten Mal Gottesdienst gefeiert. 
		Pfarrerin Christa Wolters verabschiedete Chorleiter Peter Krause-Heiber 
		nach fast siebenjähriger Arbeit und führte den neuen Chorleiter 
		Sebastien Belleil in den Dienst ein.  
		
		
Die liturgischen Gegenstände wurden aus der Kapelle entfernt.
		
		Sowohl in Lesung und Evangelium als auch in der Predigt von Pfarrerin 
		Wolters stand das Thema 
Abschied im Mittelpunkt: „Es ist ein 
		bitterer, ein trauriger Tag für uns alle. Es ergibt sich daraus aber 
		auch die Chance, mit gebündelten Kräften vor Ort die evangelische Kirche 
		in Kevelaer neu zu stärken.“ Und weiter versuchte Christa Wolters zu 
		trösten: „Gott bindet sich nicht an ein Haus oder ein Kirchengebäude. 
		Ihr richtet euren Blick auf die Kapelle, seid aber doch vor allem 
		gefordert, den Blick auf Gott zu richten.“ 
		
		Dann wurde die Entwidmungserklärung verlesen: 
		
		► „Gemäß dem Entwidmungsbeschluss des Presbyteriums vom 24. Januar 2007 
		und der Bestätigung der Entwidmung durch das Kollegium der evangelischen 
		Kirche im Rheinland vom 15. Mai 2007 stellen wir nun die 
		Martin-Luther-Kapelle außer Dienst.“
		
		Die Presbyter begaben sich zum Altar und trugen Bibel, Taufschale, 
		Abendmahlgeschirr und Osterkerze hinaus. Danach wurden die rund 50 
		Gottesdienstbesucher aufgefordert, die Kapelle zu verlassen.  
		Christa Wolters löschte die Kerzen und schloss die Kirchentür ab - zum 
		letzten Mal. 
		
		Seit dem letzten Glockenschlag lag Stille über der Kapelle. Als die Tür 
		endgültig verschlossen war, standen evangelische Christen, von der 
		Kapellen-Aufgabe tief bewegt, vor dem Gotteshaus. Einige lagen sich in 
		den Armen und weinten. "Jesus kommt immer wieder neu zu uns. Und Gott 
		bindet sich nicht an ein Haus", hatte Pfarrerin Christa Wolters zuvor 
		gepredigt. "Gott begegnet uns weiterhin in den Häusern und auf den 
		Straßen." 
		
		Trost spendeten diese Worte im Moment der Trauer wohl noch 
		nicht.
		
		
		Der Abbruch der Martin-Luther-Kapelle begann im Oktober 2007.
		
		Das Ende vom Lied: ein Schutthaufen. Fotos (2): Claudia Gipmans