Quinders, Theo
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		Landwirt 
		auf Hüdderath | * 1924 | † 2010
		
		
		
		Als 
		er "75" wurde, wollte er von einer Würdigung in der Zeitung nichts 
		wissen. „Jetzt haben Sie doch von meinem Geburtstag erfahren!“, 
		sagte Theo Quinders zur KB-Redakteurin, als sie auf 
		Hüdderathshof anklopfte. „Ich hatte gehofft, ich könnte dran 
		vorbeikommen.“ Er gab mit einer Fingerspanne vor, wie lang der Artikel 
		im Kävels Bläche werden dürfe. „Gut zehn Zeilen.“ Er wurde etwas länger.
		
		Zeit seines Lebens hielt sich Theo Quinders, Bauer aus Leidenschaft, im 
		Hintergrund und wirkte hinter den Kulissen. Mehr als 25 Jahre lang war 
		er Ortslandwirt und kümmerte sich um Flüsse und Flüsschen. Er war vor 
		allem Bauer. Von der Natur, vom Wachsen und Gedeihen der Saat, von 
		Feldarbeit und Erntesegen erzählte er mit Dankbarkeit und Poesie. Wenn 
		er beschrieb, wie er mit dem Pflug auf dem Acker die Erde umbrach, 
		spürte der Zuhörer die Wärme der Sonne, roch die Erde und sah den 
		Möwenschwarm, der wie an einer Leine hinter dem Traktor hing. Auf der 
		Maschine war Theo Quinders ein glücklicher Mensch. 
		
		Sein Vater Hermann war mit seiner Familie 1935 von Goch nach Kevelaer 
		übergesiedelt und hatte den Hof auf Hüdderath von der Kirche gepachtet. 
		Theo ging auf die Keylaerer Schule, die Hubertusschule, besuchte ein 
		Jahr lang die Landwirtschaftsschule und packte auf dem elterlichen Hof 
		an. Der Krieg brach aus. Die Menschen in Kevelaer litten Hunger. 
		Nicht einmal das Krankenhaus hatte Lebensmittel, der freie Handel war 
		verboten, „schwarzes“ Schlachten mit schweren Strafen bedroht. 
		
		Hermann und Theo Quinders wussten, welche Not die Menschen in Kevelaer 
		litten. Sie schlachteten, verstauten Nahrung in einer Pferdekarre, und 
		Theo schleuste die Fuhre - immer in der Gefahr, entdeckt zu werden - zum 
		Marienhospital und zum Priesterhaus, wo Schwester Antonilde, Herrin über 
		hundert Kopftöpfe und eine leere Vorratskammer, die geschenkte Nahrung 
		dankbar annahm.
		
		An das Handelsverbot hielten sich auch die Aufpasser der NSDAP nicht 
		immer. Theo Quinders erzählte, einer von ihnen habe sich selbst jeden 
		Morgen frische Milch auf dem Hof geholt und anschließend die Bürger 
		angeschwärzt, die es ihm gleichtaten. Da gab Quinders den Bürgern einen 
		Tipp. „Wenn der Aufpasser euch erwischt und fragt, von wem ihr die Milch 
		habt, sagt: ‚Genau von dem Bauern, wo du dir selbst jeden Morgen die 
		Milch holst‘“. Das Anschwärzen hörte auf.
		
		In den Notjahren wuchs zwischen dem Quindershof und dem Priesterhaus 
		eine enge Beziehung. Die Bauern von Hüdderath halfen, wo sie konnten, 
		und vergruben in ihrem Acker Gefäße mit Messwein, um sie vor dem Zugriff 
		der Kriegsparteien zu schützen. So hat es Kaplan Erich Bensch in seinen 
		Erinnerungen beschrieben.
		
		1942 wurde Theo Quinders eingezogen und kam an die Ostfront. Die 
		Schrecken des Kriegs mit einer schweren Verwundung verlängerten sich 
		über das Ende hinaus: Er geriet für drei Jahre in russische 
		Gefangenschaft und kam 1948 mit Malaria nach Hause. Die Fieberschübe 
		machten ihm Jahre lang zu schaffen.
		
		1956 heiratete er seine Kathrin. Im selben Jahr übernahm er vom Vater 
		den Hof. Er trat der CDU bei, arbeitete im Pfarrgemeinderat St. Marien 
		mit, in der Schulpflegschaft der St.-Hubertus-Schule (Kathrin und Theo 
		Quinders bekamen fünf Kinder) und im St.-Martin-Komitee, er mimte den 
		heiligen Mann; die Güte brauchte er nicht zu spielen. Theo Quinders zog 
		mit Heinrich Maria Janssen, dem Pastor in Kevelaer und späteren Bischof 
		von Hildesheim, über die Höfe, warb für die Landjugend Kevelaer und 
		baute sie mit auf. 
		
		Er entwickelte ein immer stärkeres Gespür für die Natur, insbesondere 
		für die Entwässerungsgräben in den landwirtschaftlich genutzten Feldern 
		und für die aufnehmenden Flüsse, wurde Vorsteher des Wasser- und 
		Bodenverbandes Baaler Bruch, verantwortlich für Renaturierung und 
		Durchfluss von Kendel, Kuckucksley, Spanischer Ley, Ottersgraben, 
		Dondert und anderen Bächen zwischen Niers und Grenze, zwischen Veert im 
		Süden und Hommersum im Norden, absolvierte 25 Jahre lang an den 300 
		Kilometern Wasserstraße seines Reviers ungezählte Inspektionsfahrten und 
		kannte an ihren Ufern jede Pappel, jede Erle - und jeden Anrainer - 
		persönlich.
		
		Als die Renaturierung der Kendel anstand, mochten die 
		landwirtschaftlichen Anlieger dem Projekt nur nähertreten, „wenn Theo 
		die Sache in die Hand nimmt“. Quinders ließ sich verpflichten und 
		klopfte mit klugem Kopf und Hartnäckigkeit bei den Zuschuss gebenden 
		Stellen eine 100-prozentige Förderung heraus. 
		
		Bei den Bauern genoss Quinders, der länger als 25 Jahre als Ortslandwirt 
		ihre Interessen vertrat, unbedingtes Vertrauen. Das war der Lohn für 
		seine Arbeit. Mehr wollte er nicht. Leute, die für Leistung nach 
		öffentlicher Anerkennung schielen, verstand er nicht. Er blieb im 
		Hintergrund, hatte Fragen zu den Gewässern immer im Vorfeld mit den 
		Betroffenen besprochen, ehe er überhaupt an eine Entscheidung dachte. 
		Die in Verwaltung und Politik erprobte Sportart, Tatsachen zu schaffen 
		und die Betroffenen mit dem Ergebnis zu überraschen, lag ihm nicht. Er 
		übte sich im Zuhören. „Wenn jemand mit einem Problem zu mir kommt, 
		stelle ich mir vor, ich wäre es, der mit eben diesem Problem jetzt vor 
		dem anderen stünde“, sagte er damals im KB-Gespräch. Das öffnete das 
		Herz und schloss den Verstand nicht ab. 
		
		So war die Lebensanschauung von Theo Quinders, die im Glauben wurzelte. 
		„Ich bin froh und glücklich über jeden Tag, den ich geschenkt bekomme.“ 
		Wenn er abends an der Niers entlangspazierte, genoss er die Natur in 
		vollen Zügen - auch wenn in den letzten Jahren ein tiefer Schatten auf 
		den Betrieb fiel: Theo Quinders hatte das einst von St. Marien 
		gepachtete Land zwischen B 9 und Niersaue verloren. Das Priesterhaus, 
		das er einst so uneigennützig und gefahrvoll unterstützt hatte, hatte 
		den hochwertigen Boden verkauft, um mit der Ausbaggerei Kies zu machen. 
		
		Das war bitter für den Bauern, für den die gewachsene Natur Gottes 
		Schöpfung und Scholle für den Menschen war. Die Hofgebäude lagen als 
		Relikt nutzlos an der Wasserlandschaft, getrennt von den zugewiesenen 
		Ländereien bei Geldern. 
		
		
		Theo Quinders:  
		Glücklich mit 
		seiner Familie (Aufnahme von 1996).
		
		Trotzdem hat Theo Quinders sein gutes Gemüt bewahrt. Er hat immer 
		gespürt, „dass der Herrgott die Hand über mir hat“. Dessen Segen hat er 
		so verstanden, dass er nicht von allein aus den Wolken fällt: Sich regen 
		bringt Segen. Das hat er getan. Er war stolz und glücklich, dass sein 
		Sohn Hermann den selben Draht zu den Dingen besitzt, die ihm selbst 
		wichtig waren. Auch wenn Theo Quinders, der Altbauer, den Hof schon vor 
		langer Zeit seinem Sohn übertragen hatte, tranken sie jeden Morgen 
		gemeinsam eine Tasse Kaffee und beratschlagten, was zu tun war. Manchmal 
		war dann eines der vielen Enkelkinder dabei. Wenn Theo Quinders seine 
		Enkel sah, hatte er wieder Hoffnung, dass die Landwirtschaft eine neue 
		Blüte erlebt.
		
		Theo Quinders starb im August 2010 im Alter von 85 Jahren. Die 
		Traueranzeige für ihn überschrieb die Familie mit dem Goethe-Zitat: "Er 
		ist nun frei, und unsere Tränen wünschen ihm Glück." 
		
		Delia Evers