Schwent, 
		Klara
		►
		Hebamme in Kevelaer | * 1905 | † 1998
		
		
Die 
		Hebamme Klara Schwent war ein Opfer ihrer Zeit. Die Wirren des Zweiten 
		Weltkriegs hatten sie aus Grotflies im Kreis Rüssel in Ostpreußen 
		vertrieben. Dort war sie 1905 als Tochter eines Lehrers geboren worden.
		
		
		
Das Bild zeigt Hebamme Klara Schwent in Kevelaer. Privat-Archiv: 
		Hubert Stassen
		
		Mit dem Zug kam sie im Dezember 1947 am Kevelaerer Bahnhof an. Sie hatte 
		sich auf eine Planstelle als Hebamme beworben. Ihr wertvollstes Gut war 
		die Berufserfahrung.
		
		Klara Schwent hatte 1928 ihr Examen als Hebamme abgelegt und 
		Krankenpflege gelernt. Sie arbeitete danach zunächst in der 
		Landesfrauenklinik in Insterburg, später im „Storchennest“ eines 
		Krankenhauses in Danzig. 
		
		Nach zwei Jahren im griechischen Athen kehrte sie nach Ostpreußen zurück 
		und half Frauen in der Kreisstadt Rüssel. Als ihre Familie aus dem Osten 
		vertrieben wurde, fand Klara dank bester Zeugnisse eine Anstellung in 
		Kaiserswerth. Schließlich reiste sie nach Kevelaer. Sie wollte ländlich 
		leben. 
		
		Theo Wolfgarten, damals der Leiter des Sozialamtes und bis heute 
		unvergessener Beigeordneter der Stadt, holte sie vom Bahnhof ab. 
		„Wolfgarten nahm sie gleich mit, denn seine Tochter Sigrid sollte wenig 
		später geboren werden. Die Kleine war ihr erstes Kevelaerer Kind“, 
		erzählte vor Jahren Maria Brocks dem KB. Auch sie selbst entband bei der 
		resoluten Ostpreußin – insgesamt sieben Kinder. „Es ist unfassbar, wie 
		viel Vertrauen ich zu dieser älteren Frau gefasst habe. Sie war so 
		energisch, sie konnte alles. Ich hatte nie eine Sekunde Angst, dass 
		etwas passieren könnte. Nur eines mochte sie nicht - wenn die Frauen sie 
		in ihrem Schmerz kniffen und bissen.“
		
		Lächelnd erinnerte sich Maria Brocks, wie einige ihrer Söhne einmal in 
		ihrer Wohnung auf einer Eckbank gesessen hatten, als Schwester Klara ins 
		Haus kam. Bei Maria Brocks hatten heftige Wehen die Geburt eines neuen 
		Erdenbürgers angekündigt. Die Jungs wussten nur, dass ein weiteres 
		Geschwisterkind unterwegs war. Als Schwester Klara ihren schwarzen 
		Koffer abstellte, fragte einer der Knaben die Hebamme: „Ist dort im 
		Koffer das Kindchen drin?“
		
		Hans Brocks war bei den Geburten seiner Kinder dabei, für die damalige 
		Zeit sehr ungewöhnlich. Er erzählte: „Ich habe die Senkwehen und 
		Presswehen mitbekommen.“ Vor seinem inneren Ohr hörte er noch immer die 
		Stimme der Ostpreußin, die das „r“ im Wort „pressen“ so wunderschön 
		rollte. „Heißen Kaffee trank sie gerne, und Fliegen fangen konnte sie 
		auch.“
		
		Klara Schwent blieb zunächst bei den Wolfgartens (später wohnte sie an 
		der Neustraße bei Pesch, an der Basilikastraße und ab Ende der 
		50er-Jahre bei Rogmann an der Dondertstraße 125). 
		
		Als Klara Schwent sich in der Marienstadt eingerichtet hatte, holte sie 
		zwei ihrer Schwestern nach. Die beiden versorgten Klara, die den 
		Lebensunterhalt verdiente. Gertrud starb 1966 im Alter von 72 Jahren; 
		Helene war 62, als sie ihrer Schwester 1970 ins Grab folgte. 
		
		Insgesamt half die Hebamme in Kevelaer bis zum Todesjahr ihrer Schwester 
		Helene – da war sie selbst 65 Jahre alt und hatte 42 Hebammenjahre 
		geleistet - rund 7000 Kindern auf die Welt. In der ersten Zeit war sie 
		zu Fuß zu den Frauen gegangen, dann geradelt, und schließlich hatte sie 
		sich auf ein Moped geschwungen. Sie wollte Tag und Nacht flexibel und 
		schnellstmöglich zur Stelle sein. Jede Geburt bedeutete für sie ein 
		neues, prägendes Erlebnis.
		
		Das teilte sie mit den Eltern: 1950 malte ihr der Kevelaerer Künstler 
		Hans Verfürth ein Sonnenblumen-Bild - als Dank für die glückliche 
		Niederkunft von Söhnchen Wilhelm, dem sie auf die Welt geholfen hatte.
		
		
		Nach den Geburten kümmerte sich die Hebamme acht weitere Tage um die 
		Wöchnerinnen und organisierte z.B. die Taufen der Neugeborenen. Die 
		Mütter waren meist nicht dabei. Sie galten als unrein. Klara Schwent 
		sagte zu mancher Frau, wenn sie mit ihrem weißen Bündel im Arm samt 
		Paten zur Kirche aufbrach: „Ich nehme dein Heidchen mit und bringe dir 
		ein Christchen wieder.“ 
		
		Klara Schwent war schon vier Jahre im Ruhestand, als sie noch einmal an 
		die Arbeit „durfte“. Im Krankenhaus war ein Notstand ausgebrochen. 
		Damals, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1974, brachte Maria Balzen 
		ihr zweites Kind Severin auf die Welt. Schwester Klara habe in dieser 
		Nacht wenig gesprochen und ihr stattdessen den Rücken massiert. „Das hat 
		mir so gut getan“, erzählte Maria Balzen einmal. „Auf diese Weise hätte 
		ich noch 30 Kinder zur Welt bringen können.“
		
		Bis kurz vor ihrem Tod blieb Klara Schwent an der Dondertstraße wohnen, 
		wo die Familien Bay und Rogmann sie versorgten – sie hatten eine eigene 
		Beziehung zu Klara Schwent: Maria Rogmann, später verheiratete Bay, war 
		Klara Schwents zweites „Kevelaerer Kind“ gewesen. 
		
		Klara Schwent starb 1998. Sie und ihre Schwestern sind auf dem 
		Kevelaerer Friedhof beerdigt.