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Pilgerreise zum Marienerscheinungsort im Saarland
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		Hier kann das Gnadenwasser 
		von Marpingen gezapft werden. Foto: Martin Willing (1998)
		Im Härtelwald oberhalb des Dorfes Marpingen - zwei hölzerne Gebilde, die 
		Gartenpavillons ähneln. Sie sind in den Hügel hineingedrückt und vorne 
		offen. In der rechten Hütte stehen Windlichter mit Kerzen, Madonnen-, 
		Christus- und Heiligenskulpturen, einfache, volkstümliche Figuren, wie 
		man sie in Devotionalienläden für wenig Geld erhält. 
		
		
In der linken, tiefer stehenden Hütte dominiert ein runder, 
		geschlossener Wasserbehälter aus Eisen, gekrönt mit den drei heiligen 
		Buchstaben „JHS“. Ein Schild „Gnadenwasser“ klebt über einem Kran. Ich 
		drehe auf, aber es fließt nichts. Links davon, vielleicht ein verdeckter 
		Überlauf, sprudelt ein Wasserstrahl hervor, der in einem Abfluss 
		verschwindet.
Die Gnadenquelle von Marpingen (1998).
Es 
		ist die Gnadenquelle von Marpingen, aber nicht der Ort der ersten 
		Marienerscheinung von 1876 und nicht die Gnadenkapelle; die liegt, den 
		Abhang hinunter, etwa 100 Meter tiefer, dort wo die Gärten der später 
		errichteten Wohnhäuser Marpingens mit dem Wald verwachsen.
		
		Ich verweile noch etwas an den beiden Pavillons, genieße die Stille im 
		Wald und stelle mir die Szenen vor, die sich hier vor 122 Jahren 
		abgespielt haben, als Soldaten, Polizisten und Verwaltungsbeamte des 
		Bismarckschen Preußen den Härtelwald und das kleine Bergarbeiterdorf 
		besetzten, um der Staatsautorität gegen „mittelalterlichen Aberglauben“ 
		der „katholischen Reaktion“ im Kulturkampf Achtung zu verschaffen.
		
		
Wer vom Dorfkern aus den Schildern folgt, wird über eine kleine Straße 
		bis zu einem Parkplatz unmittelbar vor der Gnadenkapelle geleitet. 
Der Härtelwald ist gut ausgeschildert.
Die 
		Anlage auf Gemeindegrundstück macht einen sehr gepflegten Eindruck. Die 
		am 1. Mai 1933 eröffnete Kapelle, aus Stein gebaut, hat beinahe die 
		Ausmaße einer kleinen Dorfkirche. Im überdachten Vorhof hängen 
		zahlreiche Votivtafeln, meist mit dem Spruch „Maria hat geholfen“. 
		Rechts von der Kapelle, die nach wie vor keine offizielle kirchliche 
		Weihe besitzt, steht, direkt am Hang, an der ersten Erscheinungsstelle 
		und in einer gemauerten Grotte eine große Madonnenskulptur. Als „U.L. 
		Frau von Marpingen“ und als Gnadenbild gilt aber das gemalte Bild im 
		Innern der Kapelle, das sich auch auf Postkarten wiederfindet und in 
		jugendstilistischer Verklärung eine sitzende, gekrönte Muttergottes mit 
		dem ebenfalls gekrönten Jesuskund auf dem rechten Arm zeigt.
		
		
In 
		der Kapelle brennen zahlreiche Opferlichter. Eine Frau ordnet gerade den 
		Schriftenstand. Ein älterer Mann betritt die Kapelle und kniet nieder 
		zum Gebet. Später sehe ich ihn auf einer Bank gegenüber dem Parkplatz 
		sitzen und spreche ihn an. Er erzählt über den Kapellenverein, der die 
		Marienstätte pflegt und trägt. 
Das Gnadenbild in der Gnadenkapelle Marpingen.
Es ist ein privater Zusammenschluss von Förderern der Marpinger 
		Wallfahrt, die an den Marienerscheinungen der Jahre 1876 bis 1877 
		festhalten und offenbar lieber auf den offiziellen kirchlichen Segen für 
		ihre Kapelle verzichten, als sämtliche Zeichen „Unserer Lieben Frau von 
		Marpingen“, die Bilder und Skulpturen und die vielen Votivgaben zu 
		entfernen und aus ihrem Heiligtum eine „normale“ Gebetsstätte zu machen. 
		Das nämlich ist die Vorbedingung der Kirche, und selbst dann bedürfe es, 
		wie die zuständige Bistumsleitung in Trier einmal geäußert hat, noch 
		einer gewissen Zeit, in der sich die „Kapelle bewähren“ müsse, bevor sie 
		eingeweiht werden könne. Marpingen wartet in der Stille des Härtelwaldes 
		auf andere Zeiten.
		
		Von Resignation, die ich in dem Gespräch mit dem frommen Mann 
		heraushöre, ist bei Rainer Ostheimer im Rathaus von Marpingen nichts zu 
		spüren. Der Leiter der „Zentralen Steuerung“ in der Verwaltung hat den 
		fremdenverkehrlichen Aspekt im Blick und freut sich über die unverhoffte 
		Publicity, die seine Gemeinde weltweit bekommen hat, seitdem der 
		britische Historiker David Blackbourn sein Buch über die 
		Marienerscheinungen in Marpingen („Aufstieg und Niedergang des deutschen 
		Lourdes“) veröffentlicht hat. Ob New York Times, Frankfurter Allgemeine 
		Zeitung, Die Zeit oder Süddeutsche Zeitung - seitenweise haben sie über 
		das Werk des inzwischen an der Harvard-Universität lehrenden Historikers 
		berichtet und Marpingen bekannter gemacht. Für Anfang Juli ist eine 
		öffentliche Fachdiskussion in Marpingen geplant - mit David Blackbourn, 
		der zugesagt hat und „perfekt Deutsch spricht“, wie Rainer Ostheimer 
		ergänzt.
		
		Seine Gemeinde hat sich längst vom „proletarischen“ Bergarbeiterdorf zu 
		einer Wohnidylle weiterentwickelt, wo sich auch wohlhabendes Bürgertum 
		gerne niederläßt. Marpingens zentrale Rolle im deutschen Kulturkampf, 
		die die Staatsregierung in Berlin sogar zu hektischen Reaktionen 
		verführt hat, wäre ohne das Blackbourn-Buch wohl vergessen geblieben. 
		Wenn schon in absehbarer Zeit keine Aussicht auf kirchliche Anerkennung 
		besteht, so will die Gemeinde ihre Chancen wenigstens für den 
		Fremdenverkehr nutzen.
		
		Ich fahre zur Pfarrkirche, die auf dem gegenüberliegenden Hügel das Dorf 
		überragt. Eine Tafel im Eingang informiert mit Fotos und knappen 
		Lebensdaten über die Priester, Patres und Nonnen der Pfarrgemeinde. Dort 
		lese ich auch die Namen von zweien der Seher-Kinder, die Nonnen geworden 
		sind. 
Ein Hinweis auf ihre von der Kirche abgelehnten Marienerscheinungen fehlt.
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© Martin Willing 2012, 2013