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Pilgerreise zum Marienerscheinjungsort Mettenbuch
VON MARTIN WILLING
		
		Der Titel der Gottesmutter von 
		Kevelaer an der Gnadenkapelle im Wald von Mettenbuch. 
		Foto: Martin Willing (1998)
Nach Marpingen werden im selben Jahr (1876) auch aus Mettenbuch Marienerscheinungen gemeldet, hier unter dem Kevelaer-Titel „Trösterin der Betrübten“.
		
Rückblende ins Jahr 1876. Der Winter zieht ein, und der bayrische Wald 
		ist weiß. Die Bewohner von Mettenbuch, einem hochgelegenen Dörfchen, 
		haben einen beschwerlichen Weg, wenn sie ihr Gotteshaus im Tal, die 
		Klosterkirche der Benediktiner-Abtei Metten, besuchen. Manche nehmen 
		eine Abkürzung durch den Wald und die Schlucht, die Metten und 
		Mettenbuch trennt.
		
		Die „Mater dolorosa" (Schmerzensmutter) von 
		Mettenbuch. Wahrscheinlich ist es jenes Bild, das Helene von Thurn und 
		Taxis gestiftet hat und das feierlich, von den Sehermädchen getragen, im 
		Kapellchen angebracht wurde. Es galt in Mettenbuch als das eigentliche 
		Gnadenbild.  
		Foto: P. Gebhard Heyder, Die Trösterin der Betrübten in der 
		Waldschlucht, Regensburg (o. Datum), S. 105
		Es ist Freitag vor dem ersten Advent, und es ist dunkel. Zwei Mädchen, 
		zehn und 14 Jahre alt, gehen die Abkürzung durch den Wald. Sie werden 
		von zwei erwachsenen Frauen begleitet. Unterwegs betet die Gruppe, wie 
		so häufig, den Rosenkranz und fügt, wegen des bevorstehenden Advents, 
		Worte aus der lauretanischen Litanei an, in der der Marientitel 
		„Trösterin der Betrübten“ vorkommt. 
		
		„Als sie die Worte sprachen: ´Du Zuflucht der Sünder, du Trösterin der 
		Betrübten`, da flammte plötzlich das Licht, welches von den Mädchen ganz 
		in der Nähe gesehen wurde, groß und hell und Funken sprühend auf und 
		sank rasch wieder zusammen. Sie wunderten sich, wollten aber doch etwas 
		erschreckt fortgehen; da schwebte das Licht neben ihnen her. Der 
		Brombeerstaude gegenüber blieben sie nun stehen und beteten, jedes 
		allein, für die Abgestorbenen. Jetzt schwebte das Lichtlein hinab gegen 
		den Graben, blieb erst stehen und erlosch dann schnell. Bald tauchte an 
		demselben Platze ein neues Licht auf und verschwand wieder. Plötzlich 
		rief das zehnjährige Mädchen: ´Ein Kinderl, ein Kinderl`“.1 
		Die Mädchen hatten, so jedenfalls beginnt die Schilderung der 
		Erscheinungen, das Jesuskind gesehen.
		
		Am nächsten Tag, am Samstag, dem 2. Dezember 1876, geht die gleiche 
		Gruppe, aber erweitert um einen Erwachsenen und zwei Kinder, in die 
		Schlucht und betet unterwegs den Rosenkranz. An der Stelle mit den 
		Lichtphänomenen des Vortages knieen die drei Erwachsenen und vier Kinder 
		nieder und beten die lauretanische Litanei. Plötzlich rufen die Kinder 
		wie aus einem Munde: „Unsere liebe Frau ist da“. Ihren Schilderungen 
		nach sehen sie eine „schöne Frau“, auf einem Stuhl sitzend, ein Kind auf 
		ihrem Schoß. Auf die Frage, wer sie sei, antwortet sie: „Maria, 
		Trösterin der Betrübten“. 
		
		Die gleißend helle Szene im dunklen Wald wiederholt sich tags darauf, es 
		ist der erste Adventssonntag. Diesmal sehen die Kinder auch leuchtende 
		Sternenkränze, märchenhafte Figuren, Engel, Heilige und schreckliche 
		Bilder aus der Passion Christi. Drei Wochen dauert der 
		Erscheinungszyklus von Mettenbuch - bis zum 21. Dezember 1876.
		
		Die Kinder, und nur sie haben Erscheinungen wahrgenommen, werden noch im 
		gleichen Monat verhört. Ihre Aussagen („Ja, ich habe die Mutter Gottes 
		gesehen“) werden protokolliert. Ihr zuständiger Pfarrer Angelhuber, 
		Benediktinerpater, und Benedikt Braunmüller vom Klostergymnasium Metten 
		fahren gleich nach dem Weihnachtsfest in die Stadt Regensburg zu Bischof 
		Ignatius Senestrey und informieren ihn über die Vorgänge in dem 
		niederbayrischen Dörfchen. Der Bischof vermerkt in einer Aktennotiz: 
		„Nachdem ich sie angehört, befahl ich zwar, alles aufzuzeichnen, aber im 
		übrigen nichts laut werden zu lassen, sondern ruhig und schweigend 
		abzuwarten, wie sich die Sache etwa gestalten werde.“2
		
		
		Nicht nur Angelhuber, sondern auch Braunmüller, ebenfalls 
		Benediktinerpater, glaubt an die Marienerscheinungen. Ohne das Ergebnis 
		der offiziellen Untersuchung durch die Kirche abzuwarten, publiziert 
		Braunmüller, was den Bischof sehr verärgert, schon bald eine Broschüre 
		über die „Erscheinungen der Trösterin der Betrübten von Mettenbuch“.3 
		Es zeigt sich, dass im Kloster und im angeschlossenen Priesterseminar 
		Metten die Meinungen geteilt sind, ob „Mettenbuch“ wahr oder eingebildet 
		ist. 
		
		Zunächst bleibt die Erscheinungsstelle in der Schlucht unverändert und 
		natürlich. An einem Baum wird ein Bild der schmerzhaften Muttergottes 
		von Telgte befestigt. „O Maria, du Trösterin der Betrübten, bitt für 
		uns!“ steht unten auf der Abbildung. Aufsehen erregt „Mettenbuch“ erst 
		Ende April 1877, als in einer Nachbargemeinde ein Mädchen, das eine 
		Nadel verschluckt hat, auf Fürbitten der „Trösterin der Betrübten“ von 
		Mettenbuch gerettet und geheilt wird. 
		
		Die sich verbreitende Kunde zieht 
		in den nächsten Tagen über 2000 Menschen in die Schlucht zur 
		Erscheinungsstelle. Im Sommer 1877 besucht mit großem Gefolge die 
		Fürstin von Thurn und Taxis, die auch die ein halbes Jahr zuvor 
		begonnene Wallfahrt von Marpingen fördert, den neuen Gnadenort in 
		Mettenbuch. Für 56 Erwachsene und Kinder werden wunderbare Heilungen in 
		Mettenbuch überliefert. 
		
		Anders als die kirchlichen Untersuchungen der Marienerscheinungen von 
		Marpingen, der bis heute die Einschätzung anhängt, nicht korrekt nach 
		den vorgeschriebenen Regeln eines kirchlichen Verfahrens durchgeführt 
		worden zu sein, sind die Verfahrensschritte des Bischofs Senestrey „in 
		Sachen Mettenbuch“ formal „korrekt“. Er isoliert die Seherkinder im 
		Zisterzienserinnenkloster zu Waldsassen, verbietet ihnen, miteinander zu 
		sprechen, und dringt dort persönlich mit einer „Methode, die man heute 
		Gehirnwäsche nennen würde“4 
		auf sie ein - „das Musterbeispiel eines korrekten Verfahrens nach 
		kanonischem Recht“5, heißt 
		es dagegen bei Blackbourn. 
		
		Bischof Senetrey, der für die Kinder quasi 
		Haftbedingungen anordnet, verlangt, niemanden mit den Kindern in 
		Berührung kommen zu lassen, „wessen Standes und Ranges immer er sein 
		möge, ohne eine specielle Vollmacht“.6
		
		Im Herbst 1877, fast ein Jahr nach den Erscheinungen, tritt die 
		bischöfliche Untersuchungskommission zusammen, besetzt mit Geistlichen 
		und Ärzten, tagt fast zwei Monate lang und kommt zu einem klar 
		ablehnenden Urteil. Über das „Wunderwasser“ der heute noch so 
		bezeichneten Gnadenquelle an der Erscheinungsstätte berichtet ein 
		Apotheker süffisant, es sei „als gutes Trinkwasser absolut nicht zu 
		bezeichnen“. 
		
		Bischof Senestrey begnügt sich nicht mit dem Urteil der 
		Untersuchungskommission und wartet mit der Bekanntgabe der kirchlichen 
		Ablehnung. Der Fall ist für ihn noch nicht erledigt. Die älteste der 
		Visionärinnen, die zum Zeitpunkt der Erscheinungen 14-jährige Mathilde 
		Sack, ist dem Bischof ein besonderer Dorn im Auge. Senestrey bezeichnet 
		die von ihm immer wieder verhörte Mathilde als „Meisterin in Lüge und 
		Verstellung“. Er setzt ihr mit „strengsten Drohungen“ - so seine eigene 
		Notiz - zu und hält ihr „Verlogenheit, Verdorbenheit und Schamlosigkeit“ 
		vor. 
		
		„Tragisch war es, dass Bischof Senestreys Haltung von Anfang an völlig 
		ablehnend war. Die Seher wurden bei den von ihm persönlich vorgenommenen 
		Verhören sehr unter Druck gesetzt (einzeln verhört), ihre Aussagen 
		gegeneinander ausgespielt. Senestrey nahm es dabei nachweislich mit der 
		Wahrheit nicht allzu genau.“7
		
		Nach monatelanger Quasi-Isolierhaft brechen alle Kinder zusammen und 
		unterschreiben die Aussage, über die Erscheinungen gelogen zu haben. 
		Erst jetzt gibt sich der Bischof zufrieden. 
		
		Seine inquisitorischen Verhörmethoden, von ihm schriftlich festgehalten, 
		würden heute mit Haftstrafe wegen Freiheitsberaubung, Isolationsfolter 
		und Kindesmisshandlung bedroht sein. Durch sein Verhalten und seinen 
		Übereifer hat Bischof Senestrey die ansonsten korrekt durchgezogene 
		kirchliche Untersuchung entwertet und das Gegenteil von dem erreicht, 
		was er wollte. Ob „Mettenbuch“ einer Anerkennung würdig ist oder nicht, 
		bleibt deshalb für immer offen. Die erzwungenen Geständnisse der 
		drangsalierten Kinder jedenfalls sind nicht das Papier wert, auf dem sie 
		festgehalten sind. 
		
		Für Dezember 1878 ruft Bischof Senestrey die bischöfliche 
		Sonderkommission nach Regensburg zur abschließenden Sitzung zusammen. 
		Einer der Domherren kritisiert heftig, dass „das Geständnis der Kinder 
		durch Anwendung von Tortur durch den Bischof erzwungen“ sei, „weshalb 
		die Aussagen nichts beweisen“. 
		
		Am 23. Januar 1879 lässt Senestrey in allen Kirchen seines Bistums einen 
		Hirtenbrief verlesen, in dem er die Mettenbucher Erscheinungen als 
		unecht bezeichnet. Kein Katholik solle mit ihnen noch etwas zu schaffen 
		haben.
		
		Trotz kirchlicher Ablehnung und trotz der Geständnisse entwickelt sich 
		die Mettenbucher Wallfahrt zur „Trösterin der Betrübten“ zunächst 
		weiter. Die bayrische Regierung verhält sich passiv. Die Leute sollen 
		nach Mettenbuch pilgern dürfen wie nach Altötting, wenn sie daran 
		glauben.
		
		Der Bischof aber ordnet Anfang 1879 an, dass die inzwischen in der 
		Schlucht von Mettenbuch entstandene Gebetsstätte und alle 
		Andachtsgegenstände zu zerstören seien. Mit Mühe können genügend viele 
		Abbruch-Arbeiter aufgetrieben werden, und statt dass die 
		Andachtsgegenstände vernichtet werden, verschwinden sie heimlich in den 
		Häusern der Dorfbewohner, wo die Devotionalien in Ehren gehalten werden. 
		Jede Wallfahrt nach Mettenbuch wird seitens der Kirche streng untersagt.
		
		Mathilde Sack bleibt „auf Lebenszeit“ exkommuniziert, worauf Bischof 
		Senestrey auch Ende 1880 noch beharrt - trotz intensiver Bitten von 
		Fürsprechern, die sich dafür einsetzen, dass die Kinder wieder die 
		heiligen Sakramente der Kirche empfangen dürfen. Er besteht auch darauf, 
		dass die Suspendierung von inzwischen zwei Benediktinerpatres, die an 
		den Marienerscheinungen von Mettenbuch festhalten, in Kraft bleibt - bis 
		an ihr Lebensende. Sie sterben, ohne je wieder als Priester tätig 
		geworden zu sein.
		
		Am 7. Juni 1887 wird eine amtlich beglaubigte Erklärung an den Bischof 
		von Regensburg veröffentlicht. Die Unterzeichner sind Katharina Kändler, 
		23 Jahre alt, Josef Kändler, 19 Jahre, Xaver Kraus, 19, Katharina Kraus, 
		19, Theresia Liebl, 20, Anna Liebel, 19, und Theres Strobl, 17 Jahre 
		alt. Es sind die Seherkinder von Mettenbuch, inzwischen erwachsen 
		geworden und nun in der Lage, die Geschehnisse in ihrer Kindheit besser 
		zu beurteilen. Die Unterschrift von Mathilde Sack, der ältesten der 
		Visionäre, fehlt. Warum sie die Erklärung nicht mitunterzeichnet hat und 
		ob ihr Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt überhaupt bekannt gewesen ist, 
		wissen wir nicht.
		
		Die Kinder widerrufen ihre Geständnisse, die sie vor zehn Jahren gemacht 
		haben. Die Erklärung beginnt mit den Worten: „Da die Zeit gekommen zu 
		sein scheint, daß wir in wirksamer Weise das Unrecht wiedergutmachen 
		können, welches wir im Jahr 1878 gegen Unsere Liebe Frau begangen haben, 
		so wird es Eure Bischöflichen Gnaden nicht überraschen, daß wir ... 
		unser früheres Geständnis zurücknehmen. Wir haben dasselbe damals aus 
		Furcht und mannigfaltiger Verwirrung gemacht und nie aufgehört, es zu 
		bereuen“.8
		
		Was aus den Seherkindern wird, bleibt weitgehend im dunkeln. Von Franz 
		Xaver Kraus wissen wir, dass er den Beruf des Steinmetzes erlernt und 
		später im Dachgeschoss der Benediktinerabtei zu Metten in einer Art 
		Klause gelebt hat. Daraus kann man die Vermutung ableiten, dass in 
		diesem Kloster zumindest von einem Teil der Mönche die Echtheit der 
		Marienerscheinungen stillschweigend angenommen worden ist. Franz Xaver 
		liegt wie das Seherkind Theres Strobl auf dem Klosterfriedhof vor der 
		Kirche begraben. 
		
		
		
Und was wird aus der Gnadenstätte? Devotionalien und ein 
		kapellenähnlicher Verschlag aus der Anfangszeit der Mettenbucher 
		Geschehnisse sind zwar verschwunden, aber schon 1889 steht an der 
		Erscheinungsstelle ein eisernes Kreuz, an das fromme Besucher kleine 
		Bilder und Votivtafeln hängen. Ein später errichteter, hölzerner 
		Bildstock zu Ehren der „Trösterin der Betrübten“ verfällt in den 
		30er-Jahren dieses Jahrhunderts zunehmend. Eine Anwohnerin lässt ihn 
		renovieren.
		
		Im August 1983 besucht eine Frau aus Regensburg die Gebetsstätte und 
		findet den Bildstock im verwitterten Zustand vor. Auf ihre Veranlassung 
		wird er restauriert. 
Die Gnadenkapelle von Mettenbuch. Foto: Martin Willing (1998)
1985 lässt sie mit Erlaubnis der Besitzerin des Waldes einen festen Steinsockel errichten und das „obere Brünnl“ neu einfassen. Auch das „untere Brünnl“, die sogenannte Gnadenquelle, wird „wieder schön gerichtet“.
Es entstehen außerdem eine gemauerte, sehr kleine Waldkapelle, deren Eingang mit dem Marientitel „Trösterin der Betrübten“ geschmückt wird, und ein Kreuzweg entlang des Pfades, „den die Muttergottes mit den Kindern den Waldhang hinaufging“.9
Anmerkungen:
		1 P. Gebhard Heyder OCD, Die Trösterin 
		der Betrübten in der Mettenbucher Waldschlucht einst und jetzt, 
		Regensburg 1988, S. 16.
		2 Heyder, S. 40.
		3 David Blackbourn, Wenn ihr sie 
		wieder seht, fragt wer sie sei, Marienerscheinungen in Marpingen - 
		Aufstieg und Niedergang des deutschen Lourdes, Reinbek bei Hamburg 1997, 
		S. 328.
		4 Heyder, S. 65.
		5 Blackbourn, S. 538.
		6 Blackbourn, S. 540.
		7 Gottfried Hierzenberger/Otto 
		Nedomansky, Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria, 
		Vollständige Dokumentation durch zwei Jahrtausende, Augsburg 1977, S. 
		233.
		8 Hierzenberger/Nedomansky, S. 233.
		9 Heyder, S. 12.
*
Pilgerreise zum Marienerscheinungsort Mettenbuch (Teil 2)
		
Die Kirche mit den zwei Zwiebeltürmen des 
		mächtigen Benediktiner-Klosters Metten in Niederbayern, 766 gegründet, 
		weist den Weg. Die Straße führt links am Kloster vorbei und zweigt dann 
		scharf rechts zum Ortsteil Mettenbuch ab. Die Gnadenstätte befindet 
		sich, so habe ich gelesen, in einer Schlucht zwischen der Stadt Metten 
		und dem Dörfchen Mettenbuch. 
Hier entlang geht es zur Erscheinungsstätte. Foto: Martin Willing (1998)
Elf Prozent Steigung, enge Kurven, wenige 
		Häuser, dann freie, hügelige Landschaft vor postkartenschöner 
		Bergkulisse des Bayrischen Waldes, deren schneebedeckte Kuppen das 
		Sonnenlicht reflektieren. Mettenbuch ist ein winziges Straßendörfchen 
		hoch oben auf der Hügelkette.
		
		Das verwitterte Holzschildchen mit der Aufschrift „Zur Waldkapelle“ 
		übersieht man leicht, nicht aber das bunte, kitschig wirkende Kruzifix 
		aus Eisen, das an einer Wegkreuzung steht. Ich biege in den gut 
		ausgebauten Wirtschaftspfad ein, der eine Sackgasse ist, aber das weiß 
		ich noch nicht. Nach einem halben Kilometer endet die Fahrt unvermittelt 
		auf dem Hof eines Privathauses. Verfahren? 
		
		Ich steige aus, werde von einem bellenden Bernhardiner empfangen und 
		hoffe, dass der frei laufende Hund freundliche Absichten hat. Hinterm 
		Haus sehe ich einen jungen Mann, den ich frage. „Etwa 100 Meter“, 
		antwortet er mir. „Ja, diesen Weg“, bestätigt er, als ich ungläubig auf 
		einen Schuppen zeige, an dem sich ein schmaler Fußweg vorbeischlängelt.
		
		
		
Nach wenigen Metern bin ich eingetaucht in ein Bild wie aus einer 
		anderen Welt, das mich an Kinderjahre und Märchenerzählungen erinnert. 
		Links von mir fällt eine kleine Schlucht ab, durch die ein Bächlein 
		rinnt, auf der anderen Seite drückt sich ein Kapellchen an den Hang, so 
		klein wie ein Puppenstübchen, beschützt von riesenhaften Bäumen. 
		
		Die 
		Perspektive verschiebt die Dimensionen. Als ich näher komme, werden die 
		Waldbäume normal groß, und die Kapelle wächst, immerhin, zu Ausmaßen 
		eines Gartenhäuschens heran. Die Inschrift über der Eingangstür zeigt, 
		was Mettenbuch mit Kevelaer verbindet. „Trösterin der Betrübten“, lese 
		ich und bin als Kevelaerer berührt. 
Gnadenkapelle 
		der "Trösterin der Betrübten" im 
		Wald von Mettenbuch. 
		Foto: Martin Willing (1998)
Diesen Titel trägt die Gottesmutter an sieben Gnadenstätten in der Welt: 
		im thüringischen Helfta (1282), wo die Heilige Gertrud gelebt hat, in 
		Luxemburg (1627), der „Mutter“ von Kevelaer, in Japan (1632), in 
		Kevelaer (1642), in Mettenbuch (1876), im luxemburgischen Kayl (1947) 
		und im deutschen Neuweier (1960). Nur Luxemburg und Kevelaer haben 
		Bedeutung als Marienwallfahrtsorte erlangt, „Mettenbuch“ und „Kayl“ 
		werden von der Kirche abgelehnt. 
		
		Es ist Karfreitag, später Vormittag, und ich befinde mich hier im Wald 
		an einem, das weiß ich aus der Literatur, „verbotenen“ Ort. Ich bin der 
		einzige Besucher, und alles, was ich höre, ist leises Plätschern des 
		Baches. Die schmale Schlucht trennt das Marienkapellchen von einem 
		mannshohen Kruzifix, vor dem ein blassblauer Rhododendron blüht. Hier, 
		am Eingang der Gnadenstätte, die unter dem Dach hochkroniger Bäume von 
		dem Kapellchen, dem Kreuz und der Gnadenquelle gebildet wird, liegt eine 
		hässliche Betonfläche. Sie macht einen unfertigen Eindruck, als sei das 
		Geld ausgegangen. Ein schmaler, steiler Waldweg führt mit mehreren 
		Kehren hinab in die Schlucht. Wer nicht gut auf den Beinen ist, könnte 
		stürzen. „Betreten auf eigene Gefahr“, warnt ein Schild. Auch der Bach, 
		der sich hinabschlängelt, macht einen eher weltlichen Eindruck, denn 
		sein Wasser ist, wie ein weiteres Warnschild unmißverständlich aufklärt, 
		„Kein Trinkwasser!“
		
		Ich steige die Treppenstufen, die vor nicht allzu langer Zeit gegossen 
		worden sind, hinunter und sehe an der Betonwand, die den Eingangsbereich 
		hält, einen verchromten Wasserkran. Er ist aufgedreht, und aus ihm läuft 
		ein dünner Strahl. Drei Liter in der Stunde gibt die Gnadenquelle ab, 
		mehr nicht. 
		
Eine Steinplatte ist in die Mauer eingelassen. In sie hat 
		ein Steinmetz gemeißelt: „Beim Gnadenwasserschöpfen 3 Ave beten mit der 
		Bitte, Trösterin der Betrübten, heile uns an Seele und Leib!“ In der 
		Entstehungszeit der Mettenbucher Wallfahrt hat diese winzige Quelle für 
		die Gläubigen die gleiche Bedeutung gehabt wie die große in Lourdes.
Drei Ave Maria an der Gnadenquelle.
Wenig später stehe ich wieder vor der verschlossenen Kapelle, zu der, 
		wie ich jetzt entdecke, von der anderen Seite ein Kreuzweg führt, der 
		einfach mitten im Wald an einem holprigen Pfad beginnt. Der Kreuzweg 
		wirkt verlassen, ist es aber nicht, wie frische Blümchen am Fuß der 
		vierzehn Holzstationen, in die volkstümliche Bilder von der Passion 
		eingelassen sind, mir zeigen. 
		
		In der Kapelle, so ist durch das Fenster zu erkennen, steht eine 
		Madonnenstatue, die nicht mehr jene sein kann, die die Fürstin von Thurn 
		und Taxis Anfang 1877 für den Mettenbucher Erscheinungsort hat 
		anfertigen lassen. Die „fürstliche“ Skulptur war nämlich schon bald 
		wieder entfernt worden, nachdem Helene von Thurn und Taxis von der 
		bischöflichen Residenz in Regensburg erfahren hatte, dass die Kirche die 
		Mettenbucher Erscheinungen als Täuschung ablehnte. Die Figur gilt heute 
		als verschollen. 
		
		Das andächtige Ensemble im Wald von Mettenbuch lebt von der Stille, in 
		das es eingebettet ist. Es rührt mich an, wie Menschen mit beschränkten 
		Mitteln einen Ort, den sie als heilig empfinden, behüten. „Bitte hier 
		keine Kerzen anzünden“, steht auf einem Zettel an der verschlossenen Tür 
		der Gnadenkapelle. Das dürfte sich eher auf die Waldbrandgefahr beziehen 
		und weniger auf die kirchliche Ablehnung, in deren Gefolge die 
		Seher-Kinder von Mettenbuch mit unglaublicher Kälte verstoßen und in die 
		Exkommunikation getrieben worden sind. Ich zünde an jeder Gnadenstätte, 
		die ich auf meinen Forschungsreisen zu den Wallfahrtsorten besuche, eine 
		Kerze an, egal ob kirchlich anerkannt oder nicht; hier ist es zum ersten 
		Mal nicht möglich. 
		
		In der prächtigen, barocken Klosterkirche von Metten, wo in einer 
		winzigen Seitenkapelle eine Madonnenstatue steht, hole ich das nach. 
		Nirgendwo findet sich in der Kirche oder in den ausliegenden Schriften 
		ein Hinweis auf die Erscheinungen von Mettenbuch vor 122 Jahren, obwohl 
		der damalige Abt von Metten den Kindern geglaubt und die Ereignisse in 
		einer Broschüre als wahrhaftig und tatsächlich geschehen dargestellt 
		hat, noch bevor der Bischof von Regensburg das nach kanonischen 
		Vorschriften durchgezogene Untersuchungsverfahren mit einem 
		vernichtenden Urteil abgeschlossen hatte. „´Mettenbuch` ist noch nicht 
		zu Ende“, hat einer seiner Nachfolger geäußert. 
		
		Nur Einweihte können den Grabstein einer „Therese Stettmeier geb. 
		Strobl“ auf dem Klosterfriedhof, gleich vor der Kirche gelegen, 
		einordnen. Hier liegt Theres Strobl begraben, das jüngste der 
		Seherkinder, verstorben im Jahr 1962.
© Martin Willing 2012, 2013