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		Am 7. Oktober wird in der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche 
		Demokratische Republik gegründet. Damit reagiert die UdSSR auf die 
		Ausrufung der Bundesrepublik Deutschland in den West-Besatzungszonen. 
		Von diesem Tag an wird es für 41 Jahre zwei Staaten auf deutschem Gebiet 
		geben.
		
		Die Arbeitnehmerverbände im Westen schließen sich auf einem Kongress zum 
		Deutschen Gewerkschaftsbund zusammen. Erster DGB-Vorsitzender wird Hans 
		Böckler (1875 - 1951).
		
		In Kevelaer kommt das Devotionaliengewerbe gut voran. Die Pilgerzahlen 
		erreichen mit 300.000 Besuchern Vorkriegsniveau. In den vergangenen 
		Monaten sind auch wieder Tausende Niederländer zur Kevelaerer 
		Gnadenstätte gepilgert. Im Zeichen des ersten Aufschwungs in Kevelaer 
		nach dem Krieg kann die Devotionalienfabrik
		
Josef Vorfeld 
		Mitte Oktober ihr 50-jähriges Bestehen feiern. 
		
		Wie die St.-Antonius-Kirche in Kevelaer liegt auch die Winnekendonker 
		Pfarrkirche St. Urbanus noch in Trümmern. Bis zum endgültigen 
		Wiederaufbau einige Jahre später behelfen sich die Winnekendonker mit 
		Notlösungen. Inzwischen ist der Neubau der St.-Josef-Kapelle in 
		Achterhoek fertig. Konsekriert wird sie erst 1952 durch Weihbischof 
		Baaken, aber die Gläubigen nutzen sie mit dem Segen von Pfarrer Joseph 
		Reiners schon jetzt. Der mittlerweile schwer kranke Geistliche hat seit 
		einem Jahr in Kaplan Wilhelm Hetterix eine wesentliche Stütze.
		
		
November 1949
		
		Eine der undankbarsten Aufgaben innerhalb der Stadtverwaltung übernimmt 
		Peter Michels. Als Vollziehungsbeamter muss er den Anspruch der Stadt 
		gegenüber säumigen Zahlern durchsetzen. Michels geht geschickt und 
		freundlich vor. Wenn er es verantworten kann, hilft er Menschen, die in 
		Not geraten sind.
		
		In Kevelaer verdrängen neue Kleinwohnungen Schritt für Schritt Baracken. 
		Notunterkünfte am Hoogeweg verschwinden. Das Gebäude der ehemaligen 
		Brauerei wird zum Wohnhaus.
		
		Auf den Straßen im Kreis Geldern sieht es übersichtlich aus: Rund 500 
		Autos und ebenso viele Lastwagen sind zugelassen. Die Zahl der 
		Motorräder liegt bei etwa 1.000. 
		
		Das Straßenverkehrsamt lädt für November zum ersten 
		Verkehrserziehungsunterricht nach Kevelaer ein. Fußgänger, Rad- und 
		Autofahrer, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen, können mit 
		ihrer Teilnahme am Unterricht ihr Strafmandat tilgen: Lernen statt 
		Zahlen. 
		
		Froh sind die Fußballer des TuS Kevelaer: Der Stadtrat hat ihnen ein bis 
		dahin landwirtschaftlich genutztes Grundstück an der Kroatenstraße 
		gegenüber der Turnhalle zugesprochen. Der TuS pachtet es und richtet 
		hier einen Sportplatz her.
		
		Der jüngst ins Amt eingeführte Pfarrer von Kevelaer,
		
Heinrich 
		Maria Janssen, wird Ende November von Bischof Michael Keller zum 
		Dechanten über das Dekanat Kevelaer ernannt. Janssen ist nun auch Präses 
		des Musikvereins Kevelaer, den Chordirektor Heinrich Kempkes leitet.
		
		Ende November ist das Kävels Bläche wieder auf dem Markt. Verleger
		
Jakob Köster 
		lässt das „Kevelaerer Volksblatt“ allerdings nicht in seiner alten 
		Struktur aufleben, sondern wandelt die Zeitung in ein Wochenblatt mit 
		dem Titel „Aus Kevelaer und Umgebung“ um. Am 26. November erscheint die 
		erste KB-Ausgabe seit Einstellung des Blattes Ende 1942. 
		
		Dem unter den Nazis bedrängten Verleger ist Politik so suspekt, dass er 
		zunächst keine politische Berichterstattung im neuen KB zulässt. Nicht 
		einmal die Parteinamen tauchen in der Berichterstattung auf. Das 
		Blattformat ist anfangs kleiner als DIN A 4 - das KB erscheint samstags.
		
		
		Den Titelkopf mit Fraktur-Schriftzug, Wappen und niederrheinischer 
		Landschaft - Wasser, Kirche, Mühle - hat der Stummel-Schüler
		
Franz van 
		Betteraey gezeichnet. 
		
		In einem Editorial zur ersten Ausgabe vermerkt Jakob Köster: 
		
		
► „Ueberaus viele Anfragen und 
		Anregungen erreichten uns darum in den vergangenen Jahren aus unserm 
		früheren Leserkreis, und immer dringender wurde der Wunsch nach einem 
		eigenen Lokalblatt. Diese Anregungen und Wünsche haben uns in dem 
		Entschluß bestärkt, vorerst einmal wöchentlich ein Mitteilungsblatt 
		herauszugeben, dessen erste Nummer wir hiermit unsern Lesern mit der 
		Bitte um wohlwollende Aufnahme vorlegen.“
		
		Eine Rubrik lautet „Willkommen in der Heimat“. In der ersten Ausgabe 
		heißt es: „Vom 1. 11. ab kehrten aus Kriegsgefangenschaft zurück: Karl 
		Baumann, Wetten Nr. 3, Josef Jansen, Kevelaer, Weezer Str. 71, Arnold 
		Ingenhaag, Kevelaer, Schanzstr. 16, Hubert Rogmann, Kevelaer, Gelderner 
		Str. 136, Willy Wälbers, Kevelaer, Biegstr. 74, Hans Modlich, Kevelaer, 
		Kapellenplatz 17, Gerhard Gietmann, Winnekendonk, Nr. 232.“ Und auch 
		über diesen wunderbaren Zufall wird berichtet: Anfang November erfahren 
		die Eltern von Ernst und Leo Ophey (Krautparsch, Berendonk), dass beide 
		Söhne heimkommen. 
		
		Im Anzeigenteil der ersten Ausgabe sind folgende Inserate zu lesen: 
		Herde-Öfen-Waschmaschinen, Fahrräder Wwe. Franz Gilles, Kevelaer, 
		Marktstraße 37; Nähmaschinen Beckers, Kevelaer, Hauptstraße; Spielzeug 
		Gebr. Verbeeck; Im goldenen Engel, Kapellenplatz, Ecke Busmannstraße; 
		Ausstellung preiswerter Möbel, Theodor Willems, Schanzstraße 8; 
		Tabakwaren P. J. Leukers, Inh. Peter Ambaum; Sarglager Heinrich Hermans, 
		Johannesstraße; Kaufhaus Schmitz (Eröffnung am 3. Dezember); Filmhof 
		Kevelaer mit den Spielfilmen „Die Freunde meiner Frau“ und „Der Mann 
		ohne Gewissen“.
		
		So ganz fehlt Politik im neuen KB allerdings nicht. In der ersten 
		Ausgabe wird über die Amtsvertretersitzung berichtet, auf der 
		Amtsbürgermeister 
		Peter Plümpe bekannt gegeben hat, dass Rechtsanwalt
		
Heinrich van 
		Straelen aus der Zentrumspartei ausgetreten ist und sein Ratsmandat 
		niedergelegt habe. Für ihn sei Kaufmann
		
Arnold Dyx 
		nachgerückt.
		
		Auf Seite 1 stehen Grußworte, so auch das von Dechant Janssen: 
		
		
► „Dem neuen Mitteilungsblatt, das für 
		‚Kevelaer und Umgebung‘ nun erscheinen soll, bringen wir Seelsorger 
		einen freudigen Willkommgruß entgegen. Wir begrüßen es von Herzen, daß 
		Kevelaer, wenn auch im kleinen Stil, wieder seine eigene Zeitung hat.“
		
		Es ist der Tag, an dem der Bundestag die Entscheidung für Bonn als 
		provisorische Hauptstadt der Bundesrepublik bekräftigt.
		
		
Dezember 1949
		
		Die Freiwilligen Feuerwehren im Kreis sind mittlerweile 625 Mitglieder 
		stark. In Kevelaer sind 41 Feuerwehrmänner aktiv, in Wetten 28, 
		Twisteden 15, Weeze 52, Winnekendonk 18 und in Kervenheim 19.
		
		Die Amtsvertretung Kevelaer, die für die angeschlossenen Kommunen 
		Kevelaer, Wetten, Twisteden und Kleinkevelaer die Verwaltungsgeschäfte 
		erledigt, hat 29 Beschäftigte - wie im Jahr 1938 -. Zusätzlich sind 19 
		Bedienstete in der Stadtverwaltung tätig. Das kommt vielen Kritikern 
		übersetzt vor. Der Verwaltungsapparat sei „aufgebläht“, heißt es. Die 
		Personalkosten müssten gesenkt werden. 
		
		Das Wirtschaftsamt im Rathaus Kevelaer hat seine „Hochkampfzeit“ hinter 
		sich. Es ist für die Verteilung der verfügbaren Verbrauchsgüter 
		zuständig und verwaltet hauptsächlich den Mangel. Für Schuhe hat es eine 
		Tauschstelle eingerichtet.
		
		Seit der Währungsreform (1948) hat sich die Zwangsbewirtschaftung Zug um 
		Zug gelockert. Sie wird überflüssig, sobald die Schwarzmarktpreise sich 
		den regulären angleichen, und das ist für viele Güter bereits 
		eingetreten. Nur noch Kohlen und Treibstoffe, Dauermilcherzeugnisse, 
		Dauerbackwaren, Zucker, Butter und Handelsfette sind rationiert und nur 
		mit Bezugsscheinen zu bekommen. „Wenn die günstige Entwicklung auf dem 
		Gebiete der Wirtschaft und Ernährung wie bisher anhält, kann mit einer 
		bald völligen Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung gerechnet werden“, 
		notiert Amtsdirektor
		
Fritz Holtmann
		im Dezember.
		
		An den wichtigsten Straßen im Kreisgebiet wird mit Hochdruck gearbeitet. 
		Die Kreisstraße 10 von Veert nach Wetten und Kevelaer bekommt eine neue 
		Decke, die Teilstrecken Wetten/Kevelaer und Veert/Wetten werden 
		begradigt. Die Fahrbahndecken der Kreisstraßen 15, 16 und 17 von Wemb 
		nach Kapellen und von Twisteden nach Kevelaer werden ebenfalls durch 
		eine bituminöse Schicht ersetzt. Die Brücke an der Kreisstraße 13 von 
		Kevelaer nach Uedem über die Mühlenfleuth in Kervendonk bei Grotendonk 
		(Endtschenhof) wird wieder hergestellt.
		
		Bis dahin durften Lebensmittel tierischer Herkunft nur in Metzgereien 
		und Fischgeschäften verkauft werden. Nun ist das auch in 
		Gemischtwarengeschäften und auf Wochenmärkten erlaubt. Solche 
		Wochenmärkte finden in Geldern und Kevelaer regelmäßig statt. Die dort 
		angebotenen Lebensmittel (Fleisch und Fleischwaren, Fisch, Geflügel, 
		Eier u.a.) stehen unter ständiger amtstierärztlicher Kontrolle.
		
		Die Landwirte sind, obgleich sie für die Ernährung der Bevölkerung die 
		allerwichtigste Rolle spielen, die Benachteiligten des ersten 
		wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Krieg. Immer noch sind Kredite so 
		knapp und teuer, dass Bauern in die Schuldenfalle geraten: 
		
		Die Kosten der Finanzierung - seit der Währungsreform sind im Kreis 
		Geldern 163 Schlepper und 64 Heugebläse, außerdem etliche Rüben- und 
		Kartoffelerntemaschinen angeschafft worden - können nicht aus 
		Betriebsüberschüssen finanziert werden. Die Neuverschuldung der Kreis 
		Gelderner Landwirte seit der Währungsreform beträgt schon rund zwei 
		Millionen D-Mark. Bedrohlich ist auch die kurze Laufzeit vieler Kredite. 
		Haus und Hof müssen hypothekarisch beliehen werden, um Kredite für fast 
		10 Prozent Zinsen zu bekommen. Intern spricht der Oberkreisdirektor von 
		einer „riesengroßen Gefahr für die Landwirtschaft“.
		
		Konjunkturmotor ist die Bauwirtschaft. Bewirtschaftung und Neubauverbot 
		gehören der Vergangenheit an. Überall im Kreis Geldern werden Häuser und 
		Wohnungen errichtet, stark gefördert durch das Land Nordrhein-Westfalen. 
		Da in vielen Rathäusern alte Planungsunterlagen verloren gegangen sind, 
		behilft man sich, so auch in Kevelaer, Winnekendonk und Kervenheim, mit 
		neuen „Fluchtlinienplänen“. Kevelaer übt wie Geldern die Bauaufsicht 
		selbst aus; für alle anderen Gemeinden ist der Kreis die 
		Bauaufsichtsbehörde. Das Bauamt Kevelaer erteilt 1949 für Gewerbebauten 
		49 Baugenehmigungen, 34 für landwirtschaftliche Bauten und 74 für 93 
		Wohnungen. 
		
		Was aus dem zerstörten
		
Kreismuseum 
		(„Haus der Heimat“ im Marienpark) werden soll, ist offen. Über die 
		Neueinrichtung eines Kreismuseums schweben Verhandlungen mit dem Verband 
		rheinischer Heimatmuseen, der Stadtverwaltung Geldern und der 
		Amtsverwaltung Kevelaer.
		
		Und immer noch stoßen weitere Flüchtlinge und Vertriebene hinzu. 
		Kleinere Gruppen - etwa 50 Personen pro Monat - werden durch das 
		Bezirksflüchtlingsamt aus den Hauptdurchgangslagern Wipperfürth und 
		Siegen zugewiesen. Zunehmend handelt es sich nicht mehr um Vertriebene, 
		die noch während des Kriegs ihre Heimat verlassen mussten, sondern um 
		„illegale Grenzgänger aus der russischen Zone, die diese aus Gründen der 
		persönlichen Sicherheit verlassen mußten“, so heißt es im Bericht der 
		Kreisverwaltung für 1949.
		
		Familienzusammenführungen machen nun einen Großteil der Zuweisungen aus. 
		Der Landkreis Geldern muss Familienangehörige von Ernährern aufnehmen, 
		die in den Städten des Ruhrgebietes wohnen (vorwiegend Essen und 
		Gelsenkirchen) und arbeiten, dort aber ihre Familienangehörigen nicht 
		unterbringen können. Die hier eingewiesenen Personen sollen später zum 
		Wohnort des Ernährers umgesiedelt werden. 
		
		Nur mit erheblichen Schwierigkeiten finden die Behörden Wohnraum für die 
		einzuweisenden Menschen. „Es kam auch leider vor, daß Hauseigentümer 
		sich weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen, obwohl sie nach ihrem 
		Wohnraumbestand dazu in der Lage waren“, wird im Verwaltungsbericht 
		notiert. „In diesen Fällen mußten Zwangseinweisungen vorgenommen 
		werden.“ 
		
		Im allgemeinen sei aber anzuerkennen, dass „die Kreisbevölkerung die für 
		die Unterbringung der Flüchtlinge geforderten erheblichen 
		Einschränkungen willig auf sich genommen hat und alles tat, um den 
		heimatlos gewordenen Vertriebenen ihr schweres Los zu erleichtern.“
		
		
		
		
		
		
		
		
		