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Pilgerreise zum Marienerscheinungsort Marienfried
VON MARTIN WILLING
		
„Woher 
		kommen Sie?“ fragte Anton Rehm (84), mein Tischnachbar während einer 
		Fachtagung in Freising beim Abendessen. Ich sagte: „Aus Kevelaer“. Der 
		alte Mann lächelte. Eine Frau flüsterte mir zu: „Wissen Sie, wer das 
		ist?“ Ich wusste es aus der Einladung: 40 Jahre war der Diakon mit der 
		Seherin von Marienfried verheiratet gewesen. Bärbel Rueß, so ihr Name, 
		starb 1996. 
Das Gnadenbild von Marienfried.
		In Pfaffenhofen, einem kleinen Ort unweit von Ulm, ist Hans Rueß gut im 
		Geschäft. Er besitzt ein Sägewerk und ist von früh bis spät im Betrieb. 
		Die Erziehung seiner Kinder überlässt er Helene, seiner Frau. Die 
		Familie nimmt am Leben der St.-Martin-Pfarrei regen Anteil. Der 
		Gottesdienstbesuch am Sonntag ist für sie selbstverständlich.
		
		Bärbel, eines ihrer sechs Kinder, gerät in den 30er-Jahren unter ihren 
		Schulkameradinnen in eine Außenseiterrolle. Weil sie dem BDM, dem „Bund 
		Deutscher Mädchen“ nicht beitritt, wird sie verspottet.
		
		1938, als Bärbel 14 Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter, und der Vater 
		heiratet nach kurzer Trauerzeit eine erheblich jüngere Frau. Bärbel 
		fühlt sich im Elternhaus wie eine Fremde und geht für vier Jahre in ein 
		Internat der „Englischen Fräulein“ (Maria-Ward-Schwestern). Von der 
		religiösen Unterweisung, die sie dort genießt, wird Bärbel tief geprägt. 
		Am 8. Dezember 1938 weiht die 14-Jährige sich und ihr künftiges Leben 
		der Gottesmutter und folgt dem Beispiel des Hl. Grignion de Montfort, 
		was sie schriftlich niederlegt. Bärbel ist nun wie umgewandelt. Sie kann 
		Freundschaften schließen, arbeitet in Jugendgruppen mit und erweist sich 
		als gute Schülerin.
		
		
An den Wochenenden fährt sie regelmäßig heim nach Pfaffenhofen. Bei 
		einem Spaziergang durch ein Waldstück verliert Bärbel, inzwischen fast 
		16 Jahre alt, ihren Rosenkranz, was sie zunächst nicht bemerkt. Sie 
		sucht ihn eine Woche später, am Pfingstmontag, und geht den gleichen 
		Weg. Während sie überlegt, ob sie derweil den „glorreichen“ oder 
		„freudenreichen Rosenkranz“ beten soll, begegnet ihr, so berichtet 
		Bärbel Jahre später, eine „einfach gekleidete Frau“. 
Die Seherin von Marienfried: Bärbel Rueß.
		Die Frau sagt: „Du 
		überlegst, welchen Rosenkranz du beten sollst. Ich will dich einen 
		anderen Rosenkranz lehren und mit dir beten“. Bärbel ist verblüfft, dass 
		die Frau weiß, was sie gerade gedacht hat, und erfährt von ihr den 
		„Immaculata-Rosenkranz“ („Durch Deine Unbefleckte Empfängnis rette uns 
		... schätze uns ... leite uns ... heilige uns ... regiere uns!“). 
		
		Das Mädchen behält diese Begegnung, die sie noch nicht einschätzen kann, 
		zunächst für sich, schließt in den nächsten Jahren die Schule mit der 
		Mittleren Reife ab, arbeitet im Haushalt eines Brauereibesitzers, ein 
		halbes Jahr als Straßenbahnschaffnerin in München, um den pflichtgemäßen 
		Reichsarbeitsdienst abzuleisten, und schließlich wieder im väterlichen 
		Unternehmen.
		
		Im September 1943 übernimmt der junge Pastor Martin Humpf die 
		1300-Seelen-Gemeinde St. Martin von Pfaffenhofen. Seine Schwester Anna, 
		aus der Schönstatt-Bewegung kommend, begeistert mit ihrer religiösen 
		Arbeit eine Gruppe von etwa 20 Mädchen und jungen Frauen, zu der bald 
		auch Bärbel Rueß gehört. Im Mai 1944 legen auf Anregung des Pastors die 
		Gemeindemitglieder das Gelübde ab, der Gottesmutter eine Kapelle zu 
		bauen, wenn Pfaffenhofen in der Endphase des Weltkrieges verschont 
		bleibt.
		
		Am 25. April 1946 - die Amerikaner sind knapp ein Jahr zuvor in das 
		unzerstörte Pfaffenhofen einmarschiert - sucht Pastor Humpf, begleitet 
		von Anna und Bärbel, auf einem Hügel am Waldrand nach einer passenden 
		Stelle für die Marienkapelle, die die Gemeinde nun bauen will. An einem 
		Traubenkirschbaum befestigt Anna ein Schönstatt-Madonnenbild, und die 
		Drei beginnen, Brennesseln und anderes Unkraut rund um den Baum zu 
		jäten. 
		
		Plötzlich, so berichten die beiden Augenzeugen, richtet sich Bärbel auf. 
		„Da hat jemand gerufen!“ Sie geht auf ein Gebüsch zu und sieht dort 
		dieselbe Frau, die ihr damals bei der Rosenkranzsuche begegnet ist. 
		Bärbel spricht mit ihr, und die beiden anderen - vier Meter von ihr 
		entfernt - hören Bärbel sprechen. „Was hat Bärbel denn?“ fragt der 
		Pastor seine Schwester. „Sie sieht etwas, was wir nicht sehen“.
		
		„Ihr habt sie doch auch gesehen?“ fragt Bärbel nach der Begegnung. 
		„Nichts haben wir gesehen“, antwortet Anna. „Aber da an der Stelle, da 
		ist sie doch gestanden“, sagt Bärbel und zeigt auf die Stelle. „Ich sehe 
		doch keine Gespenster. Und sie hat ja auch zu Euch etwas gesagt.“ - Was 
		denn?“ - „Der Friede Christi sei mit euch und mit allen, die hier 
		beten“. 
		
		Pastor Humpf lässt sich berichten, was die Frau gesagt hat, und kommt zu 
		einem Schluss, der sein weiteres Leben bestimmen wird: Solche Aussagen 
		„passen für niemanden anderen als für die Mutter des Herrn“. Bärbel ist 
		verwirrt und glaubt das zunächst nicht. Die 22-Jährige fürchtet, 
		geisteskrank zu sein oder zu werden, und wehrt sich dagegen, „anders zu 
		sein als andere“.
		
		Einen Monat später, am 25. Mai 1946, folgt sie dennoch einem inneren 
		Ruf, die Stelle erneut aufzusuchen; die etwas ältere Anna begleitet sie. 
		Am Traubenkirschbaum, wo das Madonnenbild hängt, sieht Bärbel, wie sie 
		später berichtet, einen Engel, der auf „die Stelle“ zeigt, und dort 
		steht „die Frau“, diesmal weiß gekleidet. „Die Haare waren dunkel und in 
		der Mittel gescheitelt, die Augen waren auch dunkel. Es war ein so 
		schönes Leuchten in ihren Augen und ihrem ganzen Gesicht, so eine 
		Klarheit, Reinheit und Güte“.
		
		Bärbel gibt am selben Tag, unmittelbar nach dem Ereignis, ohne zu 
		stocken oder zu überlegen, die lange Ansprache „der Frau“ wieder, die 
		sie nun „Maria“ nennt. Pastor Humpf stenografiert mit, was Bärbel 
		berichtet. Er hört die Botschaft der „großen Gnadenvermittlerin“, 
		apokalyptische Ankündigungen und den Sieg des „Friedenskönigs Christus“, 
		wenn die Menschen „ihre sündigen Herzen“ durch „mein unbeflecktes Herz“ 
		ersetzen. 
		
		Und noch etwas geschieht an diesem Tag. Bärbel soll, so hat ihr die Frau 
		aufgetragen, auf den Kellerberg unweit von Pfaffenhofen gehen. „Dort ist 
		ein Mann in größter Not. Schicke ihn hierher“. Die junge Frau macht sich 
		auf den Weg, trifft auf dem Hügel einen lebensmüden Mann, der unter 
		seinem Rock einen Strick versteckt. „Was versteckst du da?“ - „Kannst du 
		mir helfen?“ fragt der Mann verzweifelt. - „Nein, aber ich führe dich an 
		einen Ort, wo dir geholfen wird“. Der Mann lässt sich wie ein Kind zu 
		dem Traubenkirschbaum führen, wo sich Bärbel von ihm trennt. Am Abend, 
		als Bärbel noch einmal den Bildstock aufsucht, liegt dort der Strick.
		
		Die Seherin von Marienfried, die nach den Berichten am 25. Juni 1946 
		eine dritte und letzte Erscheinung hat, arbeitet in den nächsten Monaten 
		im Pfarrbüro und will sich als Pfarrhelferin ausbilden lassen. Anfang 
		1947 beginnen ihre Hände, Füße und die Seite zu schmerzen. Am 21. 
		Februar brechen die Stellen auf und bluten. Eine Woche später sind die 
		Stigmen nicht mehr zu verbergen. Bärbel ist entsetzt: „Bis jetzt hielten 
		mich die Leute wegen der Erscheinung für verrückt - und jetzt noch das!“ 
		Bärbels Körper wird von Krämpfen geschüttelt, die Wundmale, besonders 
		die unter dem Herzen, bluten stark. Bis Pfingsten 1950 dauert die 
		Stigmatisierung der Seherin an; in der Fastenzeit und besonders in der 
		Karwoche ist der Schmerz so stark, als müsse sie sterben.
		
		In ihrer Passions-Ekstase - Gründonnerstag 1948 - hat sie ein 
		schreckliches Erlebnis: Sie wird mit einem Trick in ein Auto gelockt, 
		entführt und in einen kalten Keller gesperrt, wo einige Männer 
		gestohlene, offenbar konsekrierte Hostien vor ihren Augen bespucken, 
		verhöhnen und zerreiben: „Das ist dein Gott!“ Bärbel wird entkleidet und 
		mißhandelt. Eine Hostie wird mit irgendeinem Gift beträufelt; zum Beweis 
		des Giftes wird es einer Katze eingeflößt, die daran stirbt. Ein Hund 
		wird herbeigeholt, und Bärbel wird vor die Wahl gestellt, entweder eine 
		der vergifteten Hostien zu schlucken oder zuzusehen, wie der Hund sie 
		frisst und zu Grunde geht. Bärbel kommuniziert die Hostie und verliert 
		ihr Bewusstsein. Als sie wieder erwacht, trägt einer der Männer sie aus 
		dem Kellergefängnis heraus und fährt sie zu dem Ziel, das sie angibt.
		
		Am nächsten Morgen, eine halbe Stunde bevor die Glocken in Pfaffenhofen 
		zu läuten beginnen, wacht Bärbel Rueß in der Marienkapelle auf, die die 
		Gemeinde in Erfüllung des Gelübdes errichtet hat und die einen Monat 
		später eingeweiht wird.
		
		Kurz nach der Einweihung beauftragt der Diözesanbischof einen Jesuiten 
		mit der Untersuchung der drei berichteten Marienerscheinungen. Die 
		Polizei prüft unterdessen die Entführung Bärbels und kommt Ende August 
		1948 zu dem Schluss, dass es den „Anschein (hat), dass die Entführung 
		nur inszeniert wurde, weil sich bei Fräulein R. in diesem Jahr am 
		Karfreitag keine Stigmatisierungserscheinungen zeigten“. Die von Zeit zu 
		Zeit blutenden Wundmale der Seherin vernarben erst Pfingsten 1950 nach 
		einer Rom-Pilgerreise. 
		
		Bärbel Rueß bildet sich in den nächsten Jahren zur Katechetin aus, 
		begegnet dem Theologen und Bildungsreferenten Anton Rehm, der später zum 
		Diakon geweiht wird, heiratet ihn 1952 in Schönstatt, wird Mutter von 
		fünf Kindern und Großmutter und kümmert sich künftig um Familie und 
		Haushalt. 1986 wird festgestellt, daß sie an Multipler Sklerose erkrankt 
		ist. Bärbel Rueß, von zunehmenden Leiden heimgesucht, lebt noch zehn 
		Jahre.
Erfahrungen im Marienwallfahrtsort Marienfried
		
		
Marienfried, 
		der Erscheinungsort von 1946, wird von der katholischen Kirche weiter 
		untersucht - aus gutem Grund: „Marienfried“ gilt vielen als glaubhaft.
Die Gnadenkapelle von Marienfried.
		Nach einem halben Tag auf der Autobahn ist Ulm erreicht, wenig später 
		auch der kleine Ort Pfaffenhofen. Auf einem Hügel am Ortsrand liegt, gut 
		ausgeschildert, die Gebetsstätte Marienfried. 
		
		Der Wagen wird auf dem Parkplatz vor dem kleinen Friedhof abgestellt. 
		Wir gehen an der Pilgerhalle vorbei in einen Waldweg. Warum Marienfried 
		so heißt, erfährt man hier: Die friedliche Stille, die unter den alten 
		Bäumen am Waldweg liegt, überträgt sich mit jedem Schritt auf den 
		Besucher. Der Lärm des Alltags bleibt zurück. Tiefer im Wald stoßen wir 
		auf eine kleine Lourdes-Grotte. Später stehen wir vor einer 
		Fatima-Gebetsstätte. Ihr Vorplatz ist befestigt und kann viele Gläubige 
		aufnehmen.
		
		Zwischen den Stationen „Lourdes“ und „Fatima“, durch ein kleines 
		Waldstück vor der Landstraße geschützt, leuchtet dem Besucher eine 
		schneeweiße Kapelle entgegen, deren Zwiebeltürmchen von einem goldenen 
		Kreuz gekrönt ist. Zunächst als Dankkapelle für den Schutz Mariens 
		geplant, ist sie nach den Erscheinungen zur Gnadenkapelle erhoben 
		worden, eingeweiht mit bischöflicher Genehmigung im Mai 1947. Mit Bezug 
		auf den Schönstatt-Namen und die zentrale Marienfried-Aussage („Große 
		Gnadenvermittlerin“) heißt die Kapelle „Dreimal Wunderbare Mutter und 
		Mittlerin der Gnaden“.
		
		Bei unserem Marienfried-Besuch wird in der Gnadenkapelle gerade eine hl. 
		Messe zelebriert. Alle 50, 60 Plätze in der Kapelle sind besetzt. An 
		Hauptfesttagen wird in der Marienfriedkirche jenseits der Landstraße die 
		Eucharistie gefeiert. Diese Hallenkirche, die tausend Menschen aufnehmen 
		kann, ist 1974 vom Augsburger Bischof Dr. Josef Stimpfle eingeweiht 
		worden. 
		
		Seit jenem Jahr hat Marienfried ein Heim, das ganzjährig Pilger 
		aufnimmt. „Haus Bethanien“ und „Haus Tabor“ runden zusammen mit einem 
		Devotionalienladen die beachtliche Infrastruktur ab: Marienfried, das 
		lässt sich unschwer an der liebevoll gepflegten Gesamtanlage ablesen, 
		hat viele Förderer. 
		
		Abgelehnt, noch nicht entschieden oder anerkannt? Diese drei Varianten 
		des Status’ einer Gnadenstätte durchziehen als Kernfrage die lange 
		Geschichte deutscher Erscheinungsorte. Zumindest seit drei Jahrhunderten 
		ist keiner anerkannt - mit einer Ausnahme, die von den Deutschen kaum 
		zur Kenntnis genommen wird: Im ostpreußischen Dietrichswalde (Ermland, 
		heute Polen) ist im Jahr 1877 die Gottesmutter viele Male zwei jungen 
		Mädchen und zwei Frauen erschienen. Während erste Untersuchungen eher 
		ablehnend ausgefallen sind, hat zur 100-Jahr-Feier im Jahr 1977 Kardinal 
		Wojtyla, der spätere Papst, „Dietrichswalde“ anerkannt. 
		
		Das Einstufungsmuster („abgelehnt“, „noch nicht entschieden“, 
		„anerkannt“) passt auf Marienfried schwerlich. Spätestens seit 1966 hat 
		der zuständige Bischof von Augsburg alle Einschränkungen gegen 
		Marienfried aufgehoben. Priester, darunter Bischöfe und Kardinäle, 
		feiern in der Gebetsstätte die heilige Messe und fördern die 
		Marienverehrung nach Kräften. Marianische Bewegungen wie „Schönstatt“, 
		„Legio Mariä“ und auch die in Kevelaer aktive „Blaue Armee Mariens“ 
		arbeiten hier ohne Einschränkungen und Vorbehalte. Es ist, als wäre 
		„Marienfried“ de facto ein kirchlich anerkannter Erscheinungsort. 
		
		In der Gnadenkapelle und Marienfriedkirche liegen Schriften aus, die von 
		dem Geschehen im Jahr 1946 berichten. Im offiziellen Wallfahrtsprospekt 
		wird korrekt formuliert: „Viele Menschen glauben, daß die Gottesmutter 
		an den genannten Tagen hier erschienen ist“. Auch hohe kirchliche 
		Würdenträger, die Marienfried besuchen, benutzen solche Formulierungen, 
		mit denen einem endgültigen Urteil der Kirche nicht vorgegriffen wird.
		
		
		Seit 1950 liegt der Bericht einer ersten Untersuchungskommission vor, in 
		dem es heißt, dass die Botschaften von Marienfried der katholischen 
		Lehre nicht widersprechen; die Übernatürlichkeit der Erscheinungen stehe 
		allerdings nicht fest, insbesondere deswegen nicht, weil ein Wunder als 
		Bestätigung und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung 
		fehlt. 
		
		Daraufhin hat der Bischof 1950 den Pfarrer angewiesen, über die 
		Erscheinungen nicht zu predigen, weil sie nicht als echt erwiesen seien. 
		Diese Weisung ist freilich nicht kirchenamtlich bekanntgemacht worden 
		und gilt deshalb nicht als definitive Ablehnung, von der die Kirche nur 
		schwerlich wieder abrücken würde.
		
		
In 
		der Gnadenkapelle von Marienfried.Der Weg für weitere Untersuchungen ist 
		also frei. Der Bischof von Augsburg, Dr. Viktor Josef Dammertz, befasst 
		sich in dem Jahr unseres Besuchs intensiv mit diesem Wallfahrtsort.
		
Blick in die Gnadenkapelle von Marienfried.
		Ein erstes Ergebnis ist, dass Marienfried in eine kirchliche Stiftung 
		mit einem geistlichen Direktor umgewandelt worden ist. Außerdem hat 
		Dammertz eine Kommission beauftragt, „Marienfried“ nach den 
		vorgeschriebenen Regeln zu untersuchen. 
		
		In einer öffentlichen Erklärung von 1996 bittet der Bischof alle 
		Gläubigen, mit ihm um den Beistand des Heiligen Geistes zu beten, damit 
		die volle Wahrheit erkannt werde und zum Durchbruch komme. Er betont 
		zugleich, dass nicht mit einer schnellen Entscheidung zu rechnen sei. Er 
		werde alle Untersuchungsergebnisse gewissenhaft würdigen und eine 
		abschließende Erklärung vor der Bekanntgabe dem Vatikan zur Begutachtung 
		vorlegen. 
		
		Damit ist „Marienfried“ in der „Bewährungphase“ so weit fortgeschritten 
		wie kaum ein zweiter, bisher nicht anerkannter Erscheinungsort in 
		Deutschland. Am Ende könnte - muss aber nicht - die Anerkennung durch 
		die Kirche stehen. Der Prozess wird sicherlich sehr lange dauern. 
		Bischof Dammertz deutet es am 21. Juli 1996 beim Gottesdienst in 
		Marienfried zum 50-jährigen Jubiläum der Gnadenstätte auch an: „Ich muss 
		Sie um viel Geduld bitten“. 
		
		Für die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Bärbel Rueß, der Seherin von 
		Marienfried, spricht ihre christliche Lebensführung vor und nach dem 
		Erscheinungsjahr. Sie verkörpert einen „neuen Typus“ von Seherin, denn 
		die Mystikerin wird keine Nonne, sondern lebt im Einklang mit ihrer 
		marianischen Frömmigkeit - soweit Außenstehende das beurteilen können - 
		als Ehefrau und Mutter. 
		
		Wie alle Seher wird auch Bärbel Rueß nach dem Ursprungsmirakel 
		gründlichen und unangenehmen Prüfungen unterzogen; sie wird verdächtigt 
		und verleumdet und muss mit dem polizeilichen Vorwurf leben, ihre 
		„Entführungsgeschichte“ erfunden zu haben.
		
		Sie zieht sich nach ihrer Heirat mit Anton Rehm aus der Öffentlichkeit 
		zurück und widmet sich ihrer Familie, die bald um fünf Kinder wächst. 30 
		Jahre später sagt sie ihrer Freundin Anna Humpf, der Schwester des 
		Pastors von Pfaffenhofen: „Dass ich die Gottesmutter gesehen habe, weiß 
		ich sicherer, als dass ich fünf Kinder geboren habe“. Nichts ist 
		überliefert, das einem Zweifel oder gar Widerruf gleich käme.
		
		Ein besonders wichtiger Zeuge ist ihr Ehemann Anton Rehm, Theologe und 
		Diakon. Rehm sagt am 18. Mai dieses Jahres während eines Vortrages in 
		Freising: „Ich war 40 Jahre mit Bärbel verheiratet - wo wäre ich 
		hingekommen, wenn ich ihr nicht geglaubt hätte!“ Er habe 1947, ein Jahr 
		nach den Erscheinungen, zum ersten Mal davon gehört. „Ich habe gesagt, 
		der Inhalt der Botschaft konnte unmöglich von einem 22-jährigen Mädchen 
		ohne theologische Ausbildung kommen“.
		
		Bärbel Rueß spricht, obschon sie nach den Ereignissen von 1946 noch 50 
		Jahre lebt, außer zu ihrem Pfaffenhofener Pastor Humpf, ihrer Freundin 
		Anna und den kirchlichen Beauftragten der ersten bischöflichen 
		Untersuchungskommission offenbar nicht mehr über die Erscheinungen. Die 
		Seherin, die sich bereits als junges Mädchen der Gottesmutter geweiht 
		hat, redet sogar mit ihren Kindern nicht darüber.
		
		Im Oktober 1996, 14 Tage vor ihrem Tod, als die an Multipler Sklerose 
		erkrankte Frau im Krankenhaus liegt, sind es ihre Kinder, die auf 
		„Marienfried“ zu sprechen kommen. 
		
		„Willst du uns nicht etwas sagen?“, fragen sie am Krankenbett. 
		
		„Nicht hier“, antwortet Bärbel Rueß, „erst zu Hause“.
		
		Als Bärbel Rueß entlassen wird, um zu Hause zu sterben, ist das 
		Endstadium ihrer Krankheit so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr 
		sprechen kann. 
		
		Sie stirbt am 4. November 1996.
© Martin Willing 2012, 2013