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		Das 
		Marienhospital bekommt zum 1. Januar einen neuen Chefarzt. Es ist 
		ein alter Bekannter, Dr. Rudolf Berneisen (* 1893, † 1956), der schon 
		seit 25 Jahren als Facharzt für Chirurgie im Kevelaerer Krankenhaus 
		tätig ist. Seit 1926 leitet er die chirurgische Station. Über die 
		Berufung zum Chefarzt freuen sich der Arzt, seine Frau Claire (geb. 
		Huefnagels) und ihre Kinder Liesel und Franz-Rudolf.
		
		Zum Jahresbeginn gibt sich die Schuhfabrik Otterbeck in Kervenheim eine 
		neue Rechtsform. Der neuen „Wilhelm Otterbeck + Sohn, 
		Kommanditgesellschaft“ gehören als persönlich haftende Gesellschafter
		
Wilhelm 
		Otterbeck (* 1887, † 1953) und sein Sohn
		
Ernst Otterbeck 
		(* 1918, † 1958) an. 
		
		

Als 
		Kommanditisten sind Gertrud Otterbeck und der Student
		
Josef Otterbeck 
		(* 1930) eingetragen. Dem Angestellten
		
Theo Kothes (* 
		1912, † 1998) wird Prokura erteilt. 
		
		
Wilhelm Otterbeck, Sohn Ernst und Prokurist Theo Kothes.
		
		Mit dem tatkräftigen Unternehmer Wilhelm Otterbeck und seinem 
		talentierten Sohn Ernst startet die Fabrik mit Elan in die Zukunft. Aber 
		schon in wenigen Jahren wird sie schwere Rückschläge verkraften müssen: 
		Vater und Sohn verunglücken, im Abstand weniger Jahre, tödlich. 
		
		Wilhelm Otterbeck konzentriert sich seit 1951 ganz auf Kervenheim und 
		lässt sich von seinen Aufgaben in der Mülheimer Otterbeck-Firma 
		entpflichten. Seine Abfindung - Maschinen und Material - investiert er 
		in die Kervenheimer Fabrik, in der mehrere hundert Menschen beschäftigt 
		sind. 
		
		Ihm schwebt vor, die Fabrikation von Arbeitsschuhen auf modische 
		Herrenschuhe behutsam umzustellen. Otterbeck will das Marktsegment 
		„hochwertige Unfallverhütungsschuhe“ den Mülheimern überlassen. Wilhelm 
		Otterbeck hat modische Herrenschuhe im Blick, die er unter der Marke 
		Kerwo herstellen und vertreiben lässt. (Der von ihm konzipierte 
		Otter-Schutzschuh wird noch heute produziert; die derzeitigen Inhaber 
		der Stammfirma haben ihren Sitz in Singapur.) 
		
		Wilhelm Otterbeck fühlt sich mittlerweile in Kervenheim so heimisch, 
		dass er sich dem Ruf, als Bürgermeisterkandidat bei der Kommunalwahl 
		1952 anzutreten, nicht verschließt. 
		
		
Als Schuhhändler macht in Kevelaer Anfang 1951 Ernst 
		Naebers auf sich aufmerksam. Sein Schuhhaus Aengenheyster an der 
		Hauptstr. 33, das seit 130 Jahre besteht, bewirbt in der Zeitung seine 
		„neuzeitliche Supinator-Fußpflegeabteilung, in der alle Fußschäden 
		festgestellt und beseitigt werden können.“
		
		

Nach 
		1950 feiern zum zweiten Mal die Geselligen Vereine die 
		Sent-Tönnes-Kermes. Sie soll nun jedes Jahr als Heimatfest begangen 
		werden. Der
		
TuS 
		Kevelaer, der im Jahr zuvor den Festkettenträger gestellt hat, 
		gestaltet das Programm des Abends im Saal 
Dreikönige. Es geht 
		noch nicht so festlich zu wie auf den späteren Heimatabenden, aber die 
		Spannung, wer nun Festkettenträger wird, ist 1951 nicht weniger groß: 
		Josef Aengenheyster, Chef der Bürgerschützengesellschaft, wird die 
		Festkette tragen.
		
		
Agnes und Josef Aengenheyster (1951).
		
		Kurz darauf feiert die St.-Johannes-Bruderschaft das 25-jährige 
		Amtsjubiläum ihres Präsidenten Matthias Janssen. Der Jubilar ermahnt die 
		Schützenbrüder, „stets in Treue zu den Idealen der Gilde zu stehen“.
		
		Zwischen die gesellschaftlichen Nachrichten in den Zeitungen mischen 
		sich immer wieder Meldungen von Munitionsfunden. Beim Zersägen eines 
		Baumstamms im Sägewerk von Schloss Wissen explodiert ein in das Holz 
		eingewachsenes 2-cm-Explosivgeschoss. Splitter und umherfliegendes Holz 
		verletzen zwei Arbeiter leicht.
		
		Ein skurriler Rechtsstreit endet Mitte Januar mit einem Todesurteil. Der 
		Kevelaerer Heinrich B., der einen ihm zugelaufenen Hund ein halbes Jahr 
		gefüttert hat, muss sich vor Gericht verantworten, weil dieser Hund 
		einen Passanten gebissen hat. Das Gericht verwirft B.‘s Verteidigung, 
		der Hund gehöre ihm nicht; verantwortlich sei die Besitzerin, die auf 
		ihr Tier nicht aufgepasst habe. Heinrich B. muss 24 DM zahlen. Der Hund 
		wird „zum Tode durch den Schießbolzen“ verurteilt.
		
		Am laufenden Band muss sich die Polizei mit Materialdiebstählen 
		beschäftigen. Zur Zeit sind Regenrohre und Dachrinnen stark gefragt. 
		Einem Kevelaerer Hausbesitzer werden alle Rohre von Wohnhaus und 
		Gartenlaube mitsamt den Dachrinnen geklaut. Die Kupferüberdachung eines 
		Grabmals im Marienpark und die bereits erneuerten Regenrohre der 
		ruinenhaften St.-Antonius-Kirche werden entwendet. Sogar eine drei 
		Zentner schwere Eisenstange, angebracht an der 13. Station des 
		Kreuzwegs, verschwindet über Nacht. 
		
		
Am Sonntag, 28. Januar, eröffnet Bischof Dr. Michael 
		Keller das Soziale Seminar in Kevelaer. Es handelt sich um eine 
		bistumsweite Einrichtung der katholischen Erwachsenenbildung. Die 
		Kevelaerer gehören zu den Ersten, die dieses Angebot nutzen können. 
		Geschäftsführer des Sozialen Seminars ist Hermann-Josef Geurts (* 1927, 
		† 2000). In den folgenden zehn Jahren werden 73 Absolventen nach 
		Abschlussprüfung das Bischöfliche Diplom erwerben.
		
		Ende Januar wird die neue Polizeiverordnung bekannt gemacht. Das 
		umfangreiche Paragrafenwerk ersetzt die Verordnung von 1935 und regelt 
		beispielsweise: Häuser müssen mit Nummernschildern versehen werden. 
		Frische Anstriche müssen gekennzeichnet werden. Markisen dürfen nicht in 
		den Straßenraum hineinreichen. Hecken müssen auf eine Höhe von 1,50 
		Meter gestutzt werden. Hunde dürfen nachts nicht alleine durch die 
		Gegend laufen. Auf öffentlichen Straßen ist Rodeln verboten, ebenso das 
		Aufstellen von Reklameschildern. Abortgruben dürfen in der 
		Wallfahrtszeit nur morgens bis 6 Uhr entleert werden. Das Durchsuchen 
		von Mülltonnen ist untersagt. So geht es - wie heute - seitenweise 
		weiter.
		
		Der Stadtrat, der sich ausgiebig mit der Polizeiverordnung befasst hat, 
		muss Ende Januar auch einen schmerzlichen Sachverhalt zur Kenntnis 
		nehmen, auf den er keinen Einfluss hat: Stadtdirektor
		
Holtmann 
		informiert die Ratsmitglieder, dass sich noch zehn Männer aus dem 
		Kevelaerer Amtsbezirk in Kriegsgefangenschaft befinden. Von 262 Soldaten 
		aus dem Amtsbezirk fehlt jede Spur.
		
		
Februar 1951
		
		Einen erfreulichen Termin hat Holtmann Anfang Februar: Er überreicht der 
		Familie von 
		Gregor Douteil eine Urkunde: Bundespräsident Heuss hat die 
		Ehrenpatenschaft über das siebte Kind der Familie übernommen.
		
		Es ist kalt in Kevelaer, und der Karneval kündigt sich an - natürlich 
		mit einer amtlichen Verordnung über die Polizeistunde. „Darüber hinaus 
		scheint es angebracht, auch auf die folgenden Bestimmungen hinzuweisen: 
		Sämtliche Tanzveranstaltungen sind erlaubnispflichtig; sie müssen beim 
		Ordnungsamt beantragt werden.“ Und: „Das Tragen von Kostümen, die Anstoß 
		erregen, wird nicht geduldet.“
		
		Zu dieser Zeit treffen sich im Lokal Stassen Eriken- und Azaleenzüchter 
		des Niederrheins. Unter Versammlungsleitung des Kevelaerer Hubert 
		Rogmans besprechen die Gärtner ihr Projekt, beide Berufsgruppen zu 
		vereinigen und künftig als Gemeinschaft aufzutreten. Auf Vorschlag von 
		Hubert Rogmans erhält die neue Gruppe den Namen
		
Azalerika.
		
		Auf der bald stattfindenden Gründungsversammlung geben sich die 
		Azalerikaner diesen Vorstand: 1. Vorsitzender Kreisgärtnermeister Josef 
		Bitz aus Nieukerk, 2. Vorsitzender Hubert Rogmans aus Kevelaer und 
		Beisitzer Emil Herperts aus Kalkar. Zum Aufsichtsrat gehören als 
		Vorsitzender Gisbert Meurs aus Hau sowie Fritz Strauß aus Lüllingen und 
		Eduard Rogmans aus Kevelaer. Geschäftssitz der Azalerika ist Kevelaer.
		
		Für Eriken und Azaleen, die am Niederrhein hervorragend gedeihen, sehen 
		die Gärtner riesige Marktchancen. Auch wenn der Begriff Globalisierung 
		noch unbekannt ist, durchstreifen die bodenständigen Blumenzüchter in 
		Gedanken die Welt auf der Suche nach Märkten, auf denen sie noch nicht 
		blühende Blumen als Rohware absetzen können. 
		
		Kevelaer ist die Keimzelle des Blumenexports. Mit den großen Kulturen 
		der drei Betriebe Gebrüder Rogmans, Theodor Brüx und Anton Rogmans, die 
		schon vor dem Krieg im großen Stil angelegt und nun neu aufgebaut worden 
		sind, hat die Azaleen-Zucht im weltläufigen Maßstab begonnen.
		
		Was im Februar 1951 im Saal Stassen beschlossen wird, ist zugleich der 
		Anfang einer Großvermarktung, die 1974 in der Fusion von Azalerika 
		Kevelaer, Erzeugerversteigerung Straelen und Erzeugergenossenschaft 
		Wesel zur Union gartenbaulicher Absatzmärkte (UGA) einen weiteren 
		Höhepunkt erleben wird, von dem Tausende von Gärtnern am unteren 
		Niederrhein profitieren werden.
		
		
		
Am 
		10. Februar feiert
		
Arnold Dyx (
Bild) 
		seinen 80. Geburtstag. Er ist lange Jahre Ratsherr und Erster 
		Beigeordneter des Amtes Kevelaer gewesen. Jetzt ist er stellvertretender 
		Bürgermeister im Ehrenamt. In der Zeitung wird Dyx ausführlich gewürdigt 
		- als Förderer der gemeinsamen Kirmes, langjähriger Vorsitzender der
		
		Bürgerschützengesellschaft, Vorsitzender der KKV Unitas und auch als 
		Seniorchef seines Unternehmens, der Devotionalienfabrik Gebr. Dyx. 
		
		
		
„Er 
		war es, der nach dem Ersten Weltkrieg mit allseitigem Einverständnis 
		unter den schwierigsten Verhältnissen das Erbe der gemeinsamen 
		Kirmesfeier im Sinne des Gründers,
		
Bürgermeister Marx, 
		übenahm, und seit dieser Zeit die Zügel dieser schönen Einrichtung in 
		fester Hand gehalten hat“, notiert das Kävels Bläche über Arnold Dyx, 
		den die Partei 
Zentrum zu ihrem Ehrenvorsitzenden ernannt hat.
		
		
Die Bevölkerung leidet nach wie vor unter der 
		Wohnungslage. „Noch immer gibt es hier 170 Wohnhäuser weniger als 1939“, 
		heißt es im Jahresbericht der Amtsverwaltung. 108 Wohneinheiten sind im 
		Jahr zuvor fertig gestellt worden. 254 Wohnungssuchende sind vorgemerkt.
		
		
		Nach wie vor ist Kohle knapp. Dem Kreis Geldern werden 190 Tonnen 
		zugeteilt. Davon gehen allein 142 Tonnen an die sozialen Einrichtungen 
		wie Krankenhäuser, Altenheime und Kindergärten. Für die Privatkunden 
		bleibt kaum etwas übrig. Sogar Arztpraxen werden nicht beliefert.
		
		Unterdessen steigen die Preise für Lebensmittel. Vertreter des 
		Einzelhandels, der Bäckerinnung, der Gewerkschaft, der 
		Kreishandwerkerschaft und der Verbraucherschaft des Kreises Geldern 
		treffen sich Mitte Februar, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. 
		Besonders die Preise für Mehl und Fette haben erheblich angezogen. Dazu 
		kommen stark gestiegene Lohnkosten. Der Preis für Zucker ist zwar 
		eingefroren, aber Zucker wird nur in viel zu geringen Mengen abgegeben. 
		Besonders die Bäcker leiden unter der Entwicklung. 
		
		Im Handel bahnen sich Veränderungen an. Kevelaerer Kaufleute wollen auf 
		dem Wochenmarkt auch Textilien, Haushaltsgeräte, Glas-, Keramik- und 
		Porzellanwaren anbieten. Der Antrag an die Stadtverwaltung wird im 
		Stadtrat kontrovers diskutiert, findet aber eine Mehrheit. Der 
		Einzelhandelsverband stemmt sich gegen den Plan; es sei kein Bedarf für 
		eine solche Erweiterung zu erkennen. 
		
		Die Entscheidung trifft der Regierungspräsident: Er lehnt den Kevelaerer 
		Antrag ab. Wochenmärkte dürften sich nicht von ihrem eigentlichen Zweck, 
		der Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, entfernen und zu 
		Jahrmärkten entwickeln. Das wolle man nicht zulassen.
		
		
		
		
		
		
		
		
		