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				INHALTSVERZEICHNIS | 
				
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| Kapitel 13 von 115 | 
Isabelle 
		Gräfin von Loë (* 1903, † 2009) steht mit ihren Sorgen allein. Ihr 
		Mann Felix ist 1944 an der Ostfront gefallen, ihr Sohn Fritz (* 1926) 
		hat noch Jahre des Studiums vor sich. 
		Isabelle Gräfin von Loë (* 1903, † 2009): Die Bodenreform bedrohte 1951 den Besitz und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens Schloss Wissen.
		Die in Potsdam als Prinzessin zu Salm-Salm geborene Gräfin trägt die 
		Verantwortung für das Schloss und seine vielfältigen Betriebe und findet 
		tatkräftige Unterstützung in Rentmeister Aloys Kempkes. 
		
		Die Bodenreform in Nordrhein-Westfalen ist nicht aus eigenem Antrieb der 
		Abgeordneten entstanden. Vielmehr hat die Alliierte Hohe Kommission 
		diese Enteignung per Gesetz vorgeschrieben. Betroffen sind auch 
		Kommunen, die über großen Grundbesitz verfügen. Besonders die Gemeinde 
		Twisteden macht sich Sorgen wegen des Gesetzes. Die Ratsmitglieder 
		erörtern Mitte Februar 1951 auf ihrer Sitzung, welche Konsequenzen die 
		Bodenreform für Twisteden haben könnte. 
		
		Ein Sachbearbeiter des Kreissiedlungsamts in Geldern, Kreisinspektor 
		Hesse, nimmt an der Sitzung teil. Bürgermeister Tebartz erklärt, der 
		landwirtschaftlich genutzte Grundbesitz der Gemeinde betrage etwas mehr 
		als 400 Morgen. Aber der größte Teil sei minderwertiger Waldboden mit 
		geringen Pachterträgen. In der Sitzung wird mit dem Kreisbediensteten 
		gefeilscht: In Twisteden werde weniger Fläche landwirtschaftlich genutzt 
		als vom Kreis errechnet. Außerdem seien in jüngerer Vergangenheit solche 
		Flächen für Straßenbau, Schule und vor allem für Siedlungszwecke 
		hergegeben und damit der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt worden.
		
		Der Kreissachbearbeiter ist beeindruckt und lässt sich darauf ein, 
		Twistedens Grundbesitz für die Bodenreform neu zu berechnen. Die Sitzung 
		wird in der Erwartung beendet, dass der Gemeindebesitz voraussichtlich 
		von der Bodenreform verschont bleibt.
		
		Die Twistedener haben allen Grund, wachsam zu sein. Ihr 400 Morgen 
		großer Gemeindewald mit 70- bis 80-jährigen Kiefern war nach seiner 
		Konfiszierung durch die Militärs abgeholzt worden. Die Gemeinde hatte 
		dafür kurz vor der Währungsreform 342.000 Reichsmark Entschädigung 
		erhalten - Geld, das wenige Tage später so gut wie nichts mehr wert war.
		
		Am Ende wird Twisteden, aber auch Schloss Wissen die Bodenreform gut 
		überstehen. Was die gräfliche Familie allerdings noch nicht weiß: 
		Natürlicher Verfall wird das Ensemble des Schlosses mit seinen 
		Nebengebäuden so stark in Mitleidenschaft ziehen, dass ein großer Teil 
		in den 1970er-Jahren abgerissen und neu aufgebaut werden muss. 
		
		Mit einem Nachruf im Kävels Bläche wird des letzten 
		Kevelaerer Ausrufers gedacht. Viele Einheimische haben Peter Peters 
		gekannt, der bis Ende der 1920er-Jahre mit einer Schelle und seinem 
		lauten Organ die neuesten Angebote verkündet hat, zum Beispiel: „Frische 
		Bücklinge eingetroffen, zu haben bei Heinrich Biesemann, Markt.“ Der 
		Ausrufer ist auch Nachtwächter gewesen und „mußte oft hart durchgreifen, 
		um die nächtliche Ruhe seiner schlafenden Mitbürger zu schützen“, heißt 
		es im KB. Peter Peters (87) hat zuletzt an der Hubertusstr. 47 gewohnt.
		
		Auch für Emil Modlich (60) erscheint Mitte Februar eine Traueranzeige: 
		„Nach langer, schmerzlicher Wartezeit erhielten wir jetzt die traurige 
		Gewißheit, daß mein lieber Gatte und guter Vater, der Lehrer Emil 
		Modlich, im November 1945 im Offizierslager in Minsk seine Seele in die 
		Hände seines Schöpfers zurück gab.“ Als Angehörige sind Maria Modlich 
		und Hans Modlich angeführt. Die Todesursache des 60-Jährigen bleibt 
		ungeklärt: Er sei „infolge eines tragischen Unglücksfalls“ gestorben, 
		heißt es.
		
		Traueranzeigen, die sich auf Kriegsopfer beziehen, sind auch sechs Jahre 
		nach der Kapitulation nicht selten. Verschollene gelten als vermisst und 
		keineswegs als wahrscheinlich gestorben. So meldet als trauernder 
		Angehöriger „Heinz de Raay, vermißt“ den Tod von Wilhelmine Tebartz, der 
		Witwe von Gerhard Tebartz. Über ihn und sein Schicksal ist bis heute 
		nichts bekannt. In der kurz darauf erscheinenden Traueranzeige für 
		Johanna Rogmann, Witwe von Peter Rogmann, haben drei der trauernden 
		Angehörigen den Zusatz „z. Zt. Vermißt“.
		
		Der Twistedener Gemeinderat tagt noch ein zweites Mal in diesem Monat. 
		Nun geht es um den Schulhof , der mit Hilfe eines Grundstückstausches 
		erweitert werden soll. Außerdem bekommt die Straße durch das neue 
		Wohngebiet einen Namen: Quirinusstraße. Damit wird an den Pfarrpatron 
		erinnert. Zugleich ist der Straßenname eine Reminiszenz an die 
		St.-Quirinus-Bruderschaft, die das Gelände für den Siedlungsbau zur 
		Verfügung gestellt hat.
		
		Am letzten Tag des Februars nimmt in einem Duisburger Krankenhaus 
		Oberarzt Dr. Franz 
		Lemmen (* 1916, † 1984) seine Arbeit auf. Er wird sich drei Jahre 
		später in Kevelaer niederlassen und 1961 als Chefarzt die Innere 
		Abteilung des Marienhospitals übernehmen.
		
		März 1951
		
		Mehrere Kinder, die auf einem Trümmergrundstück an der Basilikastraße 
		spielen, werden von einem besonders wachsamen Engel beschützt: Kaum 
		haben sie das Grundstück verlassen, stürzt eine zwölf Meter hohe 
		Giebelwand ein.
		
		Am Gelderner Gymnasium, so meldet das KB, bestehen Heribert Bergmann,
		Willy Dierkes, 
		Edmund Hahn, Hilde Bauers und Inge Humels das Abitur.
		
		In Wetten kümmert sich ein lockerer, nicht förmlich gegründeter 
		Kirchbauverein um den Wiederaufbau der St.-Petrus-Kirche. Auf einer 
		Tagung bezeichnet Dombaumeister Grasseler aus Xanten das Wettener 
		Gotteshaus als „eine der schönsten und eigenwilligsten Kirchen am ganzen 
		Niederrhein“.
		
		Rund 750.000 DM sind bereits investiert worden. Nun wird die Ausmalung 
		der Kirche geplant. Das Präsidium der Geselligen Vereine Wetten arbeitet 
		für die Kirchenverwaltung einen Finanzierungsplan aus. Mit vielen 
		Helfern soll innerhalb weniger Wochen das erforderliche Geld gesammelt 
		werden.
		Der Maler und Restaurator Paul Geßner aus Wasenbach ist mit der 
		Ausmalung beauftragt. Er geht so behutsam zu Werk, dass im Chorgewölbe 
		alte Malereien fast unversehrt wieder zum Vorschein kommen. Pfarrer ist 
		seit zwei Jahren Wilhelm Kück (* 1889, † 1966).
		
		Auch die Twistedener St.-Quirinus-Gemeinde hat Grund zur Freude: Drei 
		neue Glocken für die Pfarrkirche treffen ein. Am Ortseingang werden sie 
		von Geistlichkeit, Vertretern der Behörden und der Vereine sowie von 
		Schulkindern in Empfang genommen. In feierlichem Zug werden die Glocken 
		zur Kirche geleitet. Am Ostersonntag werden sie zum ersten Mal läuten.
		
		In Kevelaer gründen Mitte März die Landfrauen einen Ortsverein. 
		Ortslandwirt Quinders und Frau Peveling-Oberhag geben Hinweise zur 
		Landfrauenbewegung. „Vertiefung des Wissens“ und „Erweiterung der 
		praktischen Kenntnisse“ der Landfrauen sind die Ziele der Gemeinschaft. 
		Zum vorläufigen Vorstand gehören 1. Vorsitzende Maria Verhaag, 
		Stellvertreterin Anna Stenmans und Schriftführerin Änne Joosten.
		
		In der großen Stadtpfarrei St. Antonius steht der 
		Wiederaufbau der Pfarrkirche immer noch in den Sternen. Die 
		Zwischenlösung, die sich Pfarrer
		Heinrich 
		Maria Janssen ausgedacht hat, nämlich die ebenfalls zerstörte Kirche 
		des Klarissenklosters vergrößert aufzubauen, um sie für einige Jahre als 
		Pfarrkirche mitnutzen zu können, wird zu den Akten gelegt. Janssen 
		erklärt auf einer Versammlung des Kirchbauvereins, von der „Klosteridee“ 
		habe man Abstand genommen, weil durch eine solche Nutzung die 
		klösterliche Abgeschiedenheit gestört werde. Die Klosterkirche werde nun 
		in ihrer früheren Ausdehnung aufgebaut. Da dieses Gotteshaus 
		eigenständig finanziert werde, könne dieses Bauprojekt den Wiederaufbau 
		der Pfarrkirche in keiner Weise beeinträchtigen. 
		
		Für die St.-Antonius-Kirche, führt Janssen aus, werde in Kürze ein 
		erster Bauabschnitt beginnen. Bei dieser Gelegenheit erfahren die 
		Mitglieder des Kirchbauvereins, dass das alte Mauerwerk der Ruine nicht 
		abgerissen wird, obwohl ein Abriss die Gesamtkosten gesenkt hätte. Mit 
		Rücksicht auf die Geschichte Kevelaers hat man sich entschlossen, das 
		alte Mauerwerk in den Neubau zu integrieren. Mit dem ersten Bauabschnitt 
		soll erreicht werden, dass ein überdachter Gottesdienstraum zur 
		Verfügung steht. Die Planungen liegen in der Hand des Gocher Architekten 
		Hermanns, eines renommierten Kirchbaumeisters.
		
		Während in der zweiten März-Hälfte die Familie Selders von Heißenhof in 
		Wetten die Gewissheit erhält, dass der Soldat Josef Selders schon im 
		Sommer 1943 in Russland gefallen ist, veranstaltet der Sportverein Union 
		für einen anderen Wettener, den letzten Heimkehrer aus 
		Kriegsgefangenschaft, einen Begrüßungsabend.
		
		Derweil wird der Rohbau der Pilgerhalle, Teil des ersten Bauabschnitts 
		des neuen 
		Bahnhofs in Kevelaer, fertig. Bis zum Wallfahrtsbeginn Ende Juni 
		soll die Halle nutzbar sein. Die Pilgerströme laufen noch lange nicht 
		wie früher gewohnt. Besonders die ausländischen Wallfahrer werden 
		behindert. So darf beispielsweise kein Niederländer beim Grenzübertritt 
		in die Bundesrepublik mehr als fünf Mark in der Tasche haben. 
		
		Nicht nur im Priesterhaus, sondern auch im Rathaus macht man sich 
		Sorgen: Im vergangenen Jahr seien rund 20.000 Niederländer nach Kevelaer 
		gepilgert, berichtet Amtsdirektor
		Fritz Holtmann 
		dem Rat. Wegen der 5-DM-Beschränkung sei ihnen nur ein kurzer Aufenthalt 
		in Kevelaer möglich. An eine Übernachtung sei überhaupt nicht zu denken. 
		Deshalb habe sich die Stadt Kevelaer an die Bank Deutscher Länder 
		gewandt, um eine Erleichterung im Devisenverkehr zu erreichen. Ziel sei 
		es, dass die Pilger 20 Mark, wenigstens aber zehn Mark mitnehmen 
		dürften. Holtmann: „Die
		Verhandlungen schweben zur Zeit noch und konnten noch nicht zum Abschluß 
		gebracht werden.“ 
		
		Hoffnung setzt Holtmann auch auf den Bundestagsabgeordneten Dr. Frey. 
		Der will das Problem mit Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard 
		besprechen.
| Kapitel 13 von 115 | 
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© Martin Willing 2012, 2013