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		In der zweiten Märzhälfte bekommt die Stadt wichtigen Besuch. In 
		Kevelaer tagt der Westausschuss des Landtags, um sich die Sorgen und 
		Nöte der Stadtverantwortlichen anzuhören.
		
		Dieser Westausschuss ist aus einer Initiative des Landtagsabgeordneten 
		Dr. Leo Schwering (* 1883, † 1971) entstanden. Zunächst hat die 
		CDU-Fraktion auf Schwerings Betreiben 1947 einen Grenzausschuss 
		gebildet, um den vom Krieg und seinen Folgen besonders betroffenen 
		Grenzlandkreisen besser helfen zu können. Daraus hat sich der 
		fraktionsübergreifende Westausschuss gebildet, vom Landtag Ende April 
		1948 ins Leben gerufen. Der Westausschuss besitzt erheblichen Einfluss 
		auf die Mittelvergabe aus dem Grenzlandfonds, den die Landesregierung 
		Anfang Juni 1948 in Kleve beschlossen und aufgelegt hat. 
		
		Die Landespolitiker hören auf ihrer Tagung in Kevelaer zunächst den 
		Vortrag von Pfarrer
		
Heinrich 
		Maria Janssen, der auf die Beschädigungen der
		
Basilika 
		und die Zerstörung der St.-Antonius-Kirche hinweist. Ein reibungsloser 
		Wallfahrtsablauf sei nicht mehr gewährleistet.
		
		
Amtsdirektor 
		Holtmann gibt einen Überblick über die Zerstörungen der Wohnhäuser: 
		200 seien total, 400 zum Teil zerstört worden. In Kevelaer seien durch 
		Bomben 
		Bahnhof, Post und
		
Museum, aber 
		auch größere Hotels vernichtet worden. 1945 und 1946 seien durch die zum 
		Lager umfunktionierte Basilika vier bis fünf Millionen Ausländer 
		geschleust worden, die die Stadt habe versorgen müssen. Zusätzlich sei 
		Kevelaer für die Verpflegung der deutschen Kriegsgefangenen im 
		Entlassungslager Wissen verantwortlich gewesen.
		
		
Ende März signalisiert die Spar- und Darlehnskasse, 
		dass es aufwärts geht. Am Kevelaerer Markt ist als Ersatz für das im 
		Krieg zerbombte Bankhaus an der Bahnstraße ein Neubau entstanden, der 
		nun eröffnet wird. Dechant Janssen nimmt am Tag nach Ostern die Segnung 
		des Gebäudes vor. Anschließend wird im Hotel 
Zum Lindenbaum 
		gefeiert. Geehrt werden Goldjubilare, die das Bankhaus unter dem Namen 
		Spar- und Darlehnskassenverein EGmuH. Kevelaer - Vorläuferin der 
		heutigen Volksbank - gegründet haben. 
		
		Der Vorsitzende der genossenschaftlichen Bank, Karl Neuhaus, berichtet, 
		dass die Existenzkrise in den 1930er-Jahren, die fast den Ruin gebracht 
		habe, vor allem durch den Einsatz von Reinhard Hoyman und Theodor Brocks 
		überwunden worden sei. Neuhaus erwähnt besonders das älteste noch 
		lebende Mitglied Matthias Berns, seit 1896 Anteilseigner der Bank.
		
		Bauaktivitäten auch im Umland: Die Siedlergemeinschaft Winnekendonk 
		plant einen zweiten Bauabschnitt, der zehn Landarbeitersiedlerstellen 
		mit je einem Garten von gut 1000 Quadratmetern umfasst. Die neuen 
		Kleinsiedlerstellen sollen sich am Heiligenweg anschließen.
		
		Auch 13 Mitglieder der Siedlergemeinschaft Kervenheim-Kervendonk wollen 
		bald mit dem Häuserbau anfangen. Wie genau die Siedlerstellen verteilt 
		werden, soll erst festgelegt werden, wenn alle Bauherren gemeinsam 
		ausgeschachtet und die Keller betoniert haben. 
		
		

Am letzten Tag des März gibt Rechtsanwalt
		
Dr. Hans Hoffmann 
		(* 1909, † 1997, Basilikastr. 25), in der Zeitung bekannt, dass er „beim 
		hiesigen Gerichte zugelassen“ worden sei.
		
		
Der Stadtrat muss sich um die Sicherheit auf dem 
		Pausenhof der Antoniusschule am Markt kümmern. Die Kinder werden durch 
		den Autoverkehr und während der Wallfahrtszeit zusätzlich durch die hier 
		parkenden Pilgerbusse gefährdet. Deshalb versucht die Stadt, drei 
		Grundstücke an der Annastraße zu erwerben, um aus ihnen einen sicheren 
		Schulhof zu bilden. Aber die Eigentümer willigen nicht ein. Sie wollen 
		nicht einmal verpachten, auch einen Grundstückstausch lehnen sie ab.
		
		Der Rat sieht keinen anderen Ausweg, als den Eigentümern zu drohen: Wenn 
		bis zum 15. April keine Lösung erreicht sei, soll „bereits am folgenden 
		Tag bei der Aufsichtsbehörde die sofortige Besitzeinweisung mit dem 
		Ziele der Enteignung beantragt werden“.
		
		
April 1951
		
		Die Verschuldung der Landwirte am Niederrhein nimmt weiter zu. Die 
		gewährten Kredite für den Wiederaufbau der bäuerlichen Betriebsstätten 
		haben durchweg eine kurze Laufzeit; nur wenige sind mittelfristig 
		angelegt, praktisch kein einziger langfristig. Dadurch stecken die 
		Landwirte in der Kostenfalle: Sie müssen selbst bei hypothekarischer 
		Sicherheit 9 bis 9,5 Prozent Zinsen zahlen und enorme Beträge für die 
		Tilgung der kurzfristigen Kredite aufbringen. Was sie an die Bank 
		abführen müssen, übersteigt die Erträge aus dem eingesetzten Kapital bei 
		weitem - eine sonnenklare Einbahnstraße in die Pleite. So sieht es auch 
		der interne Verwaltungsbericht der Kreisverwaltung für das Frühjahr 
		1951. Eine Lösung aus dem Dilemma ist nicht in Sicht. 
		
		Am 1. April feiert Katharina Janßen ihr 40-jähriges Ortsjubiläum als 
		Lehrerin in Winnekendonk und zugleich ihren Abschied in den Ruhestand. 
		Die in Veen geborene Jubilarin hat die beiden Mädchenklassen geleitet. 
		Die Lehrerin zeigt sich bewegt von der Ehrung durch Bürgermeister, 
		Amtsdirektor, Pastor und Schulleiter.
		
		Im Lokal Stassen gründen einige Kevelaerer, die Modelle von 
		Segelflugzeugen bauen wollen, einen Verein. Dafür hat es einer 
		besonderen Genehmigung bedurft: Gebaut werden durfte bisher nichts, was 
		fliegen konnte. Schon vor dem Krieg hatten einige Kevelaerer auf einem 
		Gelände bei Petrusheim in Weeze selbstgebaute Modelle aufsteigen lassen. 
		Vorsitzender des neuen Vereins ist Helmut Dorka, sein Stellvertreter 
		Wilhelm Diepmann jr., Geschäftsführer Karl Vogel und Kassierer Peter 
		Girmes. Beisitzer sind Josef van Schewick und Willi Kersten, 
		Werkstattleiter Albert Voß und Laurenz Kersten. Die Mitglieder wollen 
		zunächst eine Werkstatt für den Bau von Segelflugmodellen errichten.
		
		
An der Südstraße in Kevelaer wird damit begonnen, 60 
		Wohnhäuser mit 120 Wohnungen zu bauen. Verantwortlich ist die 
		Siedlungsgenossenschaft Ost. Gebaut wird der Typ Doppelhaus, in dem 
		unten der Eigentümer, oben der Mieter wohnt. Die Häuser werden teilweise 
		unterkellert und haben je einen Nutzgarten von 700 bis 800 
		Quadratmetern. Die Eigentümerwohnung besteht aus einer großen Wohnküche, 
		Eltern- und Kinderschlafzimmer, Toilette und Wirtschaftsraum. Zum Haus 
		gehört auch ein Stall. Sämtliche Wohnungen sind mit fließendem Wasser 
		und elektrischem Licht ausgestattet.
		
		Eine andere Zeitungsmeldung dieser Tage berichtet von 
		Kriegsgefangenenpost. Nach langer Unterbrechung treffe seit Weihnachten 
		wieder Post aus der Sowjetunion in der Heimat ein. Der DRK-Kreisverband 
		Geldern bittet die Bevölkerung, die Kreisgeschäftsstelle zu informieren, 
		wenn solche Post komme, „damit der Suchdienst seine Listen aktualisieren 
		kann“.
		
		Am 8. April wird eine DRK-Bereitschaft gegründet, die auf die Vorarbeit 
		von Heinz Meiners, der sich bereits 1946 um den Aufbau einer DRK-Gruppe 
		in Kevelaer gekümmert hat, zurückgreifen kann. Die ärztliche Leitung 
		übernimmt Dr. Franz Oehmen. Die neue DRK-Bereitschaft setzt die 
		Betreuung der Kevelaer-Pilger fort. Nachwuchsmangel gibt es nicht, denn 
		auch eine Jugendrotkreuz-Ortsgruppe entsteht in Kevelaer.
		
		In Kervenheim werden Wall- und Schlossstraße zu Einbahnstraßen erklärt: 
		Durch die Wallstraße darf nur noch in Richtung Winnekendonk, durch die 
		Schlossstraße nur in Richtung Uedem gefahren werden. Diesem Vorschlag 
		der Polizei stimmt der Gemeinderat zu.
		
		Die ärztliche Versorgung an Sonn- und Feiertagen wird gesetzlich 
		geregelt. Ab Mitte April müssen die praktischen Ärzte in Kevelaer einen 
		Sonn- und Feiertagsdienst einführen. Der Dienst beginnt am Samstag 
		beziehungsweise am Tag vor dem Feiertag, und zwar um 14 Uhr, und dauert 
		bis zum ersten folgenden Werktag, 7 Uhr. Zwei Ärzte müssen für den 
		Notdienst in Bereitschaft sein.
		
		Der Einzelhandel in Kevelaer gibt sich Mitte April eine neue 
		Organisationsform. Gegründet wird ein Kevelaerer Ortsverband im 
		Einzelhandelsverband Kreis Kleve-Geldern. Die Kaufleute tagen im 
		Heidelberger Faß unter Vorsitz von Wilhelm Kösters.
		
		Der neue Verband „Einzelhandel Kevelaer“ befasst sich auf der 
		Gründungsversammlung mit Themen wie Gewerbesteuer und Marktordnung. Der 
		Jahresbeitrag wird auf 5 DM festgesetzt. Die Mitglieder werden auf die 
		neue Polizeiverordnung zur Vermietung von Torwegen und Einfahrten 
		hingewiesen. Kevelaer müsse wieder „ein sauberes, seinem Charakter 
		entsprechendes Bild an seinen Straßen“ zeigen.
		
		Die bei Kriegsbeginn geschlossene 
Nitag-Tankstelle in Wetten 
		wird in der zweiten Aprilhälfte wieder eröffnet.
		
		Knapp ist immer noch Kohle. Am 15. April läuft die Frist für das Abholen 
		der Kohleausweise ab, die im Rathaus ausgestellt werden. Nur mit einem 
		solchen Ausweis kann man sich bis zum 28. April bei einem der 
		Kohlehändler in eine Kundenliste eintragen lassen.
		
		Diese Kundenliste muss der Kohlenhändler mitsamt den abgegebenen 
		Kohleausweisen im Rathaus vorlegen. Die Verwaltung errechnet, welcher 
		Kohlenhändler welches Grundkontingent erhält. Wenn schließlich Kohlen an 
		die Händler geliefert worden sind, dürfen sie nur die in der Liste 
		festgelegten Kohlenmengen herausgeben, und zwar ausschließlich an die 
		registrierten Kunden. Die Händler in Kevelaer sitzen auf heißen Kohlen: 
		Erst ein Drittel aller Haushalte hat einen Kohleausweis bei ihnen 
		abgegeben. Da bahnt sich Ärger an, denn wer die Frist versäumt, dem 
		dürfen keine Kohlen verkauft werden.
		
		Zum Thema nimmt Heinrich Krings aus Kevelaer in einem Leserbrief 
		Stellung: 
		
		► „Wir haben jetzt Kohlenscheine, wissen jedoch leider nicht, was wir an 
		Kohlen bekommen. Im vergangenen Winter haben wir meist jeden Monat einen 
		Zentner Brennmaterial erhalten. Hatten wir das Essen fertig, ließen wir 
		das Feuer ausgehen. Das war nicht angenehm bei der Kälte im Winter. Ich 
		frage mich, was die alten Leute, die armen Rentner im kommenden Winter 
		anfangen sollen?“
		
		Die Dramatik dieser Tage wird im Vergleich deutlich: 1937 verbrauchte 
		ein durchschnittlicher Haushalt im Jahr 41 Zentner Kohlen. Während des 
		Kriegs musste er mit 37,5 Zentner auskommen. Jetzt, 1951, stehen ihm nur 
		noch 14,4 Zentner zu. 
		
		
Mai 1951
		
		
Um eine gute Ernte geht es bei einer Bittprozession am 1. Mai. Sie zieht 
		über den Kreuzweg und endet in der zerstörten Pfarrkirche. Unter dem 
		provisorisch hergerichteten Dach wird - zum ersten Mal seit mehr als 
		sechs Jahren - ein Gottesdienst in St. Antonius gefeiert.
		
		
Das Gnadenbild im Schrein der Gnadenkapelle mit dem Schmuck der 
		Jahrhunderte.
		
		Ebenfalls zum ersten Mal wird ein kleiner Stab neben dem Gnadenbild im 
		Schrein aufgestellt. Mit diesem Symbol für den Hirtenstab des Kevelaerer 
		Pfarrers hat es eine besondere Bewandtnis: 
		
		Jedes Jahr werden die Votivgaben der Pilger für das Gnadenbild gepflegt 
		und teilweise ausgewechselt. Dadurch verändert sich der Schmuck des 
		Gnadenbilds. Manche Kostbarkeit verschwindet, obwohl vorhanden, aus dem 
		Blick oder befindet sich an anderer Stelle. Diese Veränderung zeigt nun 
		der Stab an: Nach einem Wechsel wandert er zur anderen Seite im Schrein.
		
		
			
		
		
		
		
		
		
		
		