Pickers, Hans
		►
		Landrat der Kreise Geldern und Kleve, Ehrenvorsitzender der Kreis-CDU
		| * 1924 | † 2005
		
		
		
"Zusammenfassend 
		kann ich heute sagen: 20 Jahre Tätigkeit als ehrenamtlicher Landrat - im 
		besten Sinne des Begriffes ‚ehrenamtlich‘ - erfüllen mich mit 
		Dankbarkeit.“ 
		
		So endete seine kurze Replik, die Hans Pickers über die Landratszeit zum 
		Jubiläum des neuen Kreises Kleve im Jahr 2000 verfasste (25 Jahre Kreis 
		Kleve - Eine runde Sache, S. 144).
		
		Eine runde Sache? 
		
		Am Anfang war sie das Gegenteil: eckig, stachelig, ohne Chance auf ein 
		auskömmliches Miteinander. Der Kreis Geldern, jenes Überbleibsel auf 
		deutscher Seite, das immerhin entfernt an das einst mächtige 
		Oberquartier im Reich des spanischen Königs Philipp II. erinnerte, 
		musste sich mit einem Gebilde vereinigen, das in seiner Auskleidung als 
		Herzogtum Kleve der Jahrhundertfeind des katholischen Südens gewesen 
		war. 
		
		Mancher Gelrianer fühlte sich wie seine Vorfahren bei der Eroberung der 
		Stadt durch Preußen. Und unter den Kreispolitikern in Geldern galt es 
		als abgemacht: Wenn sie schon die „feindliche Übernahme“ nicht 
		verhindern könnten, würden sie sich so teuer wie möglich verkaufen.
		
		Der Zuschnitt des neuen Kreises verhieß in der Tat nichts Gutes: Im 
		Süden kam - wie ein Fremdkörper - die Gemeinde Rheurdt dazu, deren 
		Bewohner noch heute lieber den Moerser Lokalteil der Zeitungen lesen als 
		den Gelderner. Emmerich und Rees, durch den Rhein abgetrennt, saßen auf 
		einmal mit im Boot. Und den Führungsanspruch, das verhieß bereits der 
		Name des neuen Großkreises, würde Kleve beanspruchen. Geldern fühlte 
		sich buchstäblich eingekreist.
		
		
Landrat 
		Hans Pickers in Kevelaer (1986, v.l): Hans Pickers, Reinhard Thoenissen,
		Dr. 
		Mechthildis Scholten-Nees vom Museum und Oberkreisdirektor
		
		Dr. Hans-Wilhelm Schneider.
		
		Der Kampf um die Vorherrschaft begann bei den Posten. Gelderns Landrat 
		Theo Pellander († 2000) rechnete sich Chancen aus - ein paar vage für 
		sich und gute für Oberkreisdirektor Franz-Josef Ebbert. Indes, im Norden 
		kämpfte Kleves Landrat Gert Brock wie ein Löwe um sein Amt. Und 
		natürlich verlangten die Klever zudem, dass ihr Oberkreisdirektor Dr. 
		Hans-Wilhelm Schneider zusammen mit Kreisdirektor
		
Rudolf Kersting 
		die Verwaltung im neuen Kreis übernähmen.
		
		Zwei gebürtige Emmericher entschieden durch kluge Regie den scheinbar 
		unlösbaren Streit: 
Willi Pieper, 
		der spätere Fraktionsvorsitzende der CDU, und der Gelderner 
		Kreistagsabgeordnete Hans Pickers. Sie konzipierten eine salomonische 
		Kräfteverteilung, mit der alle Seiten leben könnten: Der Klever OKD 
		Schneider, ein überaus hoch geschätzter Fachmann, sollte danach die 
		Verwaltung führen, der Gelderner Hans Pickers als Landrat die politische 
		Spitze übernehmen. Und nicht Kersting, sondern Gelderns 
		Oberkreisdirektor Ebbert sollte Schneiders „Vize“ und damit 
		Kreisdirektor werden.
		
		

Die 
		beiden Architekten des auf Ausgleich bedachten Personalkonstrukts 
		erreichten in einer Kampfabstimmung allerdings nur den ersten Teil ihrer 
		Lösung: Pickers setzte sich als Landratskandidat in der entscheidenden 
		CDU-Tagung mit einer Stimme gegenüber Brock durch - das war geschafft. 
		Aber Ebbert machte nicht mit. 
		
		
Hans Pickers 1989 mit 
		
		Toni 
		Meiners und 
		
		Hannes Selders 
		in Kervenheim.
		
		Gelderns OKD lehnte es ab, zum Kreisdirektor abgestuft zu werden, und 
		verließ Geldern und den Kreis Kleve für immer. Kersting bekam die Ebbert 
		zugedachte Aufgabe (und wurde 1989, als Schneider krankheitsbedingt 
		ausschied, Oberkreisdirektor und später hauptamtlicher Landrat). 
		
		Hans Pickers, der neue Landrat, musste, nachdem die Würfel gefallen 
		waren, harsche Kritik einstecken: Seinetwegen sei Ebbert geopfert 
		worden, und die entscheidende Verwaltungsführung sei für das weniger 
		bedeutsame, eher repräsentative Landratsamt preisgegeben worden - an 
		Kleve.
		
		Die Kritik war nachvollziehbar, aber nicht gerechtfertigt. Pieper und 
		Pickers, die beiden lenkenden Politiker der CDU im neuen, 
		zusammengewürfelten „Großkreis“ Kleve, hatten nur diese eine 
		Möglichkeit; jede andere personelle Konstellation hätte nicht den Hauch 
		einer Chance auf Umsetzung gehabt. Das wurde zunehmend allgemeiner 
		Konsens im neuen Kreistag, und diese Einsicht trug wesentlich zur 
		Klimaverbesserung bei. 
		
		

Den 
		größten Anteil an der Versöhnung der Lager in Geldern und Kleve hatten 
		freilich zwei Nichtpolitiker: Zum einen Oberkreisdirektor Schneider, der 
		sein Amt bravourös ausübte und sich die Hochschätzung auch der Gelderner 
		erwarb; zum anderen Ex-OKD Ebbert, der - als die Entscheidung gegen ihn 
		getroffen war - ohne ein belastendes Wort seine Koffer packte und 
		fortzog. Das half den Geldernern sehr, denn nun mussten sie nicht mehr 
		zurückschauen, sondern konnten die Zukunft des neuen Kreises in den 
		Blick nehmen.
		
		
Landrat Hans Pickers überreichte 
		
		Klaus Bercker 
		in Kevelaer das Bundesverdienstkreuz (1993).
		
		Gleichwohl brach für Hans Pickers, den frisch gewählten Landrat aus 
		Geldern, eine schwere Zeit an. Von ihm erwartete der Südkreis, dass er 
		sich als „Gelderner Landrat“ definierte und die Interessen der 
		„abgewählten“ Kreisstadt vorrangig vertrat. Gleichzeitig verlangte sein 
		Amt von ihm, dass er das Wohl aller 16 kreiszugehörigen Gemeinden im 
		Auge behielt. 
		
		Solche „Quadratur des Kreises“ konnte nicht funktionieren. In dieser 
		nicht zu ändernden „Schwächephase“ des Landrats liefen zwei Politiker 
		zur Höchstform auf - zum einen Gelderns Bürgermeister
		
Paul Wolffram 
		auf der CDU- und Kevelaers Kreistagsabgeordneter
		
Klaus Hölzle 
		auf der SPD-Seite. Dem Kreis wurde das „Geldern-Paket“ abgerungen, in 
		dem teure Wohltaten als Ausgleich für den Verlust des Kreissitzes 
		verpackt wurden, wobei Wolffram eher hinter den Kulissen, Hölzle dagegen 
		offen auf der Bühne operierte - bis eines Tages OKD Schneider der Kragen 
		platzte und er dem SPD-Kreistagsfraktionschef das berühmte Wort vom 
		„Rüpelspiel“ entgegenschleuderte. 
		
		In dieser Phase, da der neue Kreis Kleve unter Schmerzen zusammenwuchs, 
		wurde das nachhaltige Wirken von Hans Pickers eher unterschätzt. Ab 
		September 1974 war der Berufsschullehrer auch Vorsitzender des erheblich 
		vergrößerten CDU-Kreisverbands, der sich aus 16 Stadt- und 
		Gemeindeverbänden sowie 49 Ortsverbänden rekrutierte. Als 
		Kreisparteichef trug er wesentlich dazu bei, dass die fast überall mit 
		absoluter Mehrheit regierenden CDU-Politiker von einem Wir-Gefühl 
		getragen wurden, wie man es sonst nur aus Bayern bei der CSU kannte.
		
		
		Pickers führte in die Kreispolitik einen Stil ein, der von freundlicher 
		Umgänglichkeit geprägt war, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu 
		verlieren. Wer seine Jovialität in der Amtsführung mit Schwäche 
		verwechselte, lernte einen willensstarken Politiker kennen, der laut und 
		deutlich seine Meinung sagte.
		
		Als Hans Pickers 1981 den Kreisparteivorsitz an
		
Heinz Seesing 
		(† 2004) übergab, dessen Stellvertreter
		
Peter Roosen 
		aus Kevelaer wurde, war die aus „fremden“ Ortsverbänden bunt gemischte 
		neue Kreispartei eine homogene Gruppe mit Gemeinschaftsgefühl geworden. 
		Von der gesunden Substanz profitierten alle Pickers-Nachfolger - von 
		Seesing über Roosen bis 
Pofalla. 
		Die Partei dankte es Pickers, indem sie ihn zum Ehrenvorsitzenden erhob.
		
		
Landrat 
		Hans Pickers 1993 im Gespräch mit Bürgermeister 
		Dr. Friedrich Börgers.
		
		1994 beendete Pickers, inzwischen 70 geworden, auch seine Zeit als 
		Landrat. 
		
		Der Gelderner Gerd Jacobs trat in die großen Fußstapfen seines 
		Vorgängers. Nach der Pionierarbeit des Führungsgespanns 
		Pickers/Schneider musste nun die neue Führungsspitze mit Gerd Jacobs 
		(Landrat) und Rudolf Kersting (Oberkreisdirektor) die Zukunft gestalten, 
		die mit dem 
		Konversionsprojekt Flughafen Laarbruch die wohl größte Einzelaufgabe 
		brachte. 
		
		Hans Pickers zog sich nicht aus der Öffentlichkeit zurück, sondern 
		widmete sich fortan seiner liebsten Beschäftigung, nämlich die 
		plattdeutsche Sprache zu fördern. Sein Werk ist der Anfang 1998 in 
		Aldekerk gegründete Förderkreis „För Land en Lüj“, der bis heute durch 
		Gemeinschaftsveranstaltungen und Wettbewerbe den Heimatdichtern und 
		Bürgern, die die Mundart pflegen, eine Plattform bietet. 
		
		1995 wurde Pickers mit der Goldenen Plakette der Landwirtschaftskammer 
		Rheinland ausgezeichnet. Im selben Jahr erhielt er den „Möökeshüß-Orden“ 
		der Karnevalsgesellschaft Queekespiere in Keppeln. Im Jahr 2002 bekam er 
		den Rheinlandtaler überreicht. Dann wurde es immer stiller um ihn. Nach 
		langer, schwerer Krankheit starb Hans Pickers im Jahr 2005.
		
		Sein Vermächtnis ist, was er schon 1995 - zum 50-jährigen Jubiläum der 
		CDU im Kreis Kleve - sagte: „Wer aus dem Geist des 'C' heraus handelt, 
		weiß um die Unvollkommenheit menschlichen Strebens und Wirkens.“ Das 
		Kreuz als Bekenntnis müsse sichtbar werden im persönlichen Leben und in 
		politischen Entscheidungen.